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Die Teststrecke wandert nach Münsingen

Daimler Was Naturschützer seit Jahren fordern, wird jetzt wahr: Der Stuttgarter Autokonzern gibt das Testgelände in Wernau auf und baut auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz eine neue Strecke. Von Joachim Lenk

Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen entsteht ein neues Daimler-Testgelände. Die Strecke an den Wernauer Baggersee
Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen entsteht ein neues Daimler-Testgelände. Die Strecke an den Wernauer Baggerseen wird dann geschlossen.Foto: J. Lenk

Vor jeder neuen Modelleinführung prüfen Autohersteller die Fahrzeuge auf Herz und Nieren. Dazu gehören auch Geräuschmessungen von vorbeifahrenden Fahrzeugen. Eine solche Akustikmessstrecke wird derzeit am Rande der ehemaligen Soldatensiedlung Altes Lager in Münsingen von der „Daimler Truck AG“ gebaut. Die Strecke löst das Testgelände an den Wernauer Baggerseen ab.

Mehrere Hundert Kubikmeter unbelastetes Erdmaterial, das beim Rückbau der militärischen Zufahrt zur ehemaligen Panzerringstraße in Auingen angefallen war, fand jetzt beim Neubau der Teststrecke am Rande des Alten Lagers, heute Albgut, Verwendung. Eigentümer des rund 27 Hektar großen Areals ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die das Gelände auf dem einstigen Truppenübungsplatz zunächst auf zehn Jahre befristet an die Daimler Truck vermietet hat. Mit dem Bau der rund 750 Meter langen An- und Auslaufstrecke mit Wendebereichen im Gewann Linsenäcker wurde im Spätsommer 2018 begonnen. Offizielle Einweihung soll Ende nächsten Monats beziehungsweise Anfang August sein, wenn das Gebäude für die Messtechnik steht, teilt Marko Weirich von der „Daimler Truck AG“ auf Anfrage mit.

Es ist geplant, pro Tag bis zu 200 Fahrten an etwa 100 Tagen im Jahr zu messen, hinzu kommen noch Standgeräuschmessungen. Bei den Fahrten beschleunigen die Testfahrzeuge auf 55 Kilometer pro Stunde auf kurzer Strecke. Zahlreiche stationäre Messeinheiten zeichnen dabei die Geräusche auf, um zu sehen, ob die gesetzlich geforderten Grenzwerte eingehalten wurden. Neben den Vorschriften für maximale Außengeräusche prüft der Autokonzern zudem die Einhaltung von Vorschriften für minimales Geräusch. Das werde bei Fahrzeugen mit Elektroantrieb relevant, damit Fußgänger ein Fahrzeug rechtzeitig wahrnehmen könnten, erklärt Weirich.

Seit 55 Jahren genutzt

Alle Nutzfahrzeuge, die Daimler baut, dazu gehören Busse, Lastkraftwagen und Vans, sind demnächst in Münsingen unterwegs. Die Strecke ist so angelegt, dass sie von beiden Richtungen her befahren werden kann, „um so die Effizienz im voll ausgelasteten Testbetrieb zu erhöhen“. Der Zufahrtsbereich verfügt über eine unabhängige IT-gestützte Zutrittskontrolle mit Schrankenanlage. Personenkraftwagen werden übrigens in Münsingen nicht getestet, sondern in Immendingen im Landkreis Tuttlingen. Dort hat die Daimler AG seit Ende 2018 ein Prüf- und Technologiezentrum auf einem ehemaligen Gelände der Bundeswehr, wo früher die Oberfeldwebel-Schreiber-Kaserne und der benachbarte Standortübungsplatz waren.

Seit 55 Jahren nutzt der Automobilkonzern eine Teststrecke an den Wernauer Baggerseen im Gebiet der Städte Wernau und Wendlingen sowie der Gemeinde Köngen. Sobald das neue Gelände in Münsingen betriebsbereit ist, wird das alte, rund 15 Hektar große Areal bis Mitte 2021 von der Daimler AG zurückgebaut, ist von Wernaus Bürgermeister Armin Elbl zu hören. Die Wernauer Baggerseen wurden 1992 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Ein Grund, weshalb die dortige, für Naturschutzverbände „ökologisch hoch problematische“ Teststrecke nach Münsingen verlagert wird. Die Landesverbände von BUND und Nabu sowie der Landesnaturschutzverband hatten nach eigenen Angaben mehr als 20 Jahre lang die Schließung der Teststrecke in Wernau gefordert.

Die Akustikmessstrecke der Daimler AG nordöstlich des Alten Lagers - heute Albgut - befindet sich auf historischem Grund, überwiegend im Gewann Linsenäcker auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen. Dort stand die Heeresnebenmunitionsanstalt Münsingen, die 1930 eingeweiht und nach dem Zweiten Weltkrieg gesprengt wurde.