Unzugeordnete Artikel

„Die Verkehrswende ist auch eine soziale Frage“

Wahl Hüseyin Sahin, Bundestagskandidat der Linken, sieht die Mobilität von Geringverdienenden gefährdet.

Kirchheim. Hüseyin Sahin wohnt in Dettingen und arbeitet in Kirchheim. Er will laut einer Pressemitteilung als Bundestagskandidat der Linken im Wahlkreis Nürtingen dafür eintreten, die Krise des Verkehrssys- tems nicht nur ökologisch zu betrachten. Für ihn sei die Verkehrswende auch eine soziale Frage.

Sahin hält den Vorrang des Autos - unabhängig vom Antrieb - wegen der Umweltbelastung nicht nur für ökologisch schädlich, sondern auch für ungerecht. Er begründet das so: „Alle Menschen sollten sich problemlos und klimafreundlich an verschiedene Orte bewegen können - unabhängig davon, ob sie in der Großstadt, einer Kleinstadt oder auf dem Land leben, ob sie viel oder wenig Geld besitzen, ob sie jung oder alt, Mann oder Frau sind. Derzeit ist das nicht möglich.“ Viele Orte - auch im dicht besiedelten Landkreis Esslingen - seien nach Ansicht Sahins ohne Auto nicht oder nur unter großem Zeitaufwand erreichbar. Daher seien Menschen entweder vom eigenen Auto abhängig oder weniger mobil.

Auch die Belastungen durch den motorisierten Individualverkehr seien sozial unterschiedlich verteilt. Unter den negativen Auswirkungen des Verkehrs würden vor allem die Menschen leiden, die am wenigsten dazu beitrügen. Straßenlärm und Luftverschmutzung in den Städten treffe wegen der Lage der Wohnungen überwiegend ärmere Bevölkerungsschichten. Autogerechte Städte und Infrastrukturen würden den Raum für umweltfreundliche Fortbewegungsalternativen - Radfahren, zu Fuß gehen - und den Raum für soziale Begegnungen und Naherholungsorte begrenzen. Lebenswerte öffentliche Plätze, Parks und Grünanlagen oder öffentliche Räume wie Spiel- oder Grillplätze dürften nicht nur in „besseren“ Wohngebieten zur Verfügung stehen - gute Lebensqualität im öffentlichen Raum müsse für alle da sein, fordert Sahin!

Von Unfällen und unsicheren Straßen seien vor allem die schwächeren Verkehrsteilnehmenden betroffen - also ältere Menschen, Kinder und körperlich eingeschränkte Personen. Ein gerechtes Verkehrssystem müsse deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, statt sie zu übersehen.

Zudem hätten Menschen, die von rassistischer und sexistischer Diskriminierung bedroht seien, ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Der Bundestagskandidat der Linken fordert deshalb: „Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden muss Priorität haben. Unsere Verkehrsmittel und -wege müssen so konzipiert sein, dass sie Übergriffe und Belästigungen vorbeugen.“

Die Lösung des Problems sieht Sahin in einer Umverteilung der finanziellen Mittel zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs. Das derzeitige Verkehrssystem privilegiere das Auto im Privatbesitz und räume dem Autoverkehr deutliche räumliche und finanzielle Vorteile ein. Sahin kritisiert: „Dieses Privileg wird über die Politik, das Steuersystem, die Planungsinstanzen sowie über mediale Bilder zementiert und kaum infrage gestellt.“ sagt Sahin. Die geltenden Gesetze benachteiligten einkommensschwache Menschen. Vom Dienstwagenprivileg, der Entfernungspauschale oder dem Dieselprivileg profitierten vor allem die reicheren Haushalte, Geringverdienende hätten davon wenig bis nichts.

Viele der momentan diskutierten politischen Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung des Verkehrs liefen auf eine Erhöhung der Preise hinaus, befürchtet Sahin - etwa die Parkraumbewirtschaftung oder die City-Maut. Diese Maßnahmen würden „vorrangig die Mobilität der Geringverdienenden einschränken, während Vermögende diese Maßnahmen finanziell problemlos verkraften. Maßnahmen zum Klimaschutz müssen sozial ausgewogen sein. Die Antriebswende allein genügt nicht. Wir müssen die öffentlichen Mittel massiv hin zu umweltfreundlichen und allen zugänglichen Verkehrsmitteln umverteilen“.pm