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Die Weichen richtig stellen

Verkehr Der vertrackte Gleisplan des Bahnhofs Plochingen macht viele Probleme und sorgt für Verspätungen. Experten diskutieren, wie durch Umbauten die Züge pünktlicher fahren könnten. Von Peter Dietrich

Ein gordischer Knoten: Der Bahnhof in Plochingen sorgt für Kopfzerbrechen.Foto: Peter Dietrich
Ein gordischer Knoten: Der Bahnhof in Plochingen sorgt für Kopfzerbrechen.Foto: Peter Dietrich

An Zugverspätungen sind nicht nur die Triebwagen, Loks oder der Personalmangel schuld. Auch mangelhaft ausgerüstete Strecken und schlechte Gleispläne tragen ihren Teil bei. „Es macht keinen Sinn, immer mehr Geld auszugeben für immer mehr Züge, die immer unpünktlicher werden“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel. Er hatte deshalb Fachleute zu einer Videokonferenz eingeladen, konkret ging es um den Bahnknoten Plochingen. Hervorgegangen war die Konferenz aus einer anderen, damals war es um die Strecke Stuttgart-Tübingen im Gesamten gegangen. Zwischen Tübingen und Reutlingen gibt es auf 13 Kilometern keine Überleitung von einem Gleis zum anderen, zwischen Metzingen und Nürtingen auf 14 Kilometern nur ein einziges Blocksignal. Das macht den Betrieb wenig flexibel. Der Bahnknoten Plochingen ist so kompliziert, dass er nun eine eigene Konferenz 2.0 bekam.

Es geht kreuz und quer

Zwischen Stuttgart und Plochingen gibt es vier Gleise: je zwei Ferngleise und zwei für die S-Bahn. Die S-Bahn nach Kirchheim und der Regionalexpress nach Tübingen verlassen Plochingen auf Gleis 9, das ist problemlos. Die öfter haltende Regionalbahn Richtung Tübingen fährt aber auf Gleis 7 ab, diese Ausfahrt erlaubt nur Tempo 40. Wenn die S-Bahn in Plochingen endet und wendet, tut sie dies auf Gleis 10 - dann kreuzt sie bei ihrer Rückfahrt die von Stuttgart auf Gleis 9 einfahrende S-Bahn. Der Regionalexpress und die Regionalbahn von Tübingen berühren bei ihrer Einfahrt nach Gleis 6 das benachbarte Gleis 5 ohne Bahnsteig, das zur Trasse in Richtung Göppingen gehört. Bei der späteren Ausfahrt wird das aus Stuttgart ankommende Ferngleis gekreuzt.

Es geht also kreuz und quer. Wenn die S-Bahn künftig im Wechsel mit Kirchheim auch noch nach Nürtingen fahren soll, gebe es ein weiteres Problem, erläuterte Patrick Wernhardt vom Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart (VWI): Dann wird Gleis 10 zur Ausfahrt in Richtung Tübingen gebraucht, das geht aber ebenfalls nur über mehrere Weichen mit Tempo 40. Was die teilweise Schleichfahrt im Alltag bedeutet, schilderte Dominic Ludwig, Triebfahrzeugführer bei Abellio. Er verwies auch auf Mängel bei der Sig­nalsteuerung, die bei der Fahrt von Esslingen in Richtung Plochingen ein schnelleres Fahren verhindern. „Die Verspätung ­beginnt meist schon zwischen Stuttgart und Bad Cannstatt“, sagte er zum dortigen Engpass. Abellio habe in Stuttgart nachgebessert, nun gebe es dort einen Fahrerwechsel mit zwei Personen, so wird die Zeit einge­spart, die er brauche, um ans andere Ende des Zuges zu laufen.

Verkehrsingenieur Steffen Thomma hatte konkrete Vorschläge für Veränderungen und den Umbau des Bahnknotens Plochingen parat. Würden die Züge in Richtung Tübingen an Gleis 9 und 10 abfahren und die Züge Richtung Stuttgart an Gleis 6 und 7, wäre das Kreuzungsproblem bei der S-Bahn beseitigt. Das Problem: Um barrierefrei zu sein, brauchen S-Bahn und Regionalverkehr verschiedene Bahnsteighöhen, das würde in diesem Fall nicht passen. Wirkliche Abhilfe schaffen würden nur größere Weichenumbauten auf der Ostseite des Bahnhofs. Noch besser wäre ein zusätzliches Überwerfungsbauwerk auf der Westseite, also „drunter und drüber“ anstatt „kreuz und quer“. Platz dafür wäre genügend da.

Diese Baumaßnahmen würden für weniger Verspätungen, also für mehr Qualität im Bahnverkehr sorgen. Das Problem dabei: „Qualität wird nicht bezahlt“, sagte Tobias Bückle von der DB Netz. Um vom Bund Geld für Baumaßnahmen zu bekommen, zum Beispiel GVFG-Mittel, muss die Bahn ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis nachweisen, also eines über 1,0. Eine Verkürzung der Fahrzeit wirkt sich bei dieser Berechnung gut aus, die Qualität - also die Widerstandsfähigkeit des Netzes bei Verspätungen und damit die Zuverlässigkeit - jedoch nicht. „Sie müssen uns helfen, dafür die Finanzierung zu finden, Herr Gastel“, bat Tobias Bückle.

Die Zeit drängt, denn neue Weichen sollten in einem Rutsch mit den Maßnahmen zum „digitalen Bahnknoten Stuttgart“ eingebaut werden. Es wäre absolut nicht sinnvoll, dies einige Jahre versetzt zu erledigen.