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Er kam, blieb und kommt wieder

Kirche Am Sonntag wird Christoph Schweik-le als Pfarrer der Christuskirche verabschiedet. Er wechselt für die letzten Berufsjahre nach Bad Saulgau. Von Peter Dietrich

Was haben Pfarrer Christoph Schweikle und sein katholischer Kollege Franz Keil gemeinsam? Beide wuchsen in Freudenstadt auf. Sie sind sich dort nie begegnet - es hätte aber leicht sein können, denn Christoph Schweikle nahm beim katholischen Kantor Klavierunterricht, und der wollte den Jungen immer für seine Schola haben. Da machten aber die Eltern nicht mit, denn sonntags war der evangelische Gottesdienst angesagt. Der Jugendkreis der Kirchengemeinde hat Christoph Schweikle sehr geprägt, jeden Samstag gab es dort eine ausgiebige Bibelarbeit. „Hinterher hatte ich immer mehr Fragen als Antworten“, berichtet er, und er fand das gut.

Was tun nach dem Abitur? Das war noch nicht klar. Auf Lehramt studieren, und falls ja, in welcher Fächerkombination? Religion wäre auf jeden Fall immer dabei gewesen. „Also habe ich ein Semes- ter lang nichts gemacht.“ Wobei „nichts“ Jobs wie Klaviere austragen und Bäume vermessen bedeutete. Als er dann seinen Freunden erzählte, er fange jetzt mit dem Studium an, fragten diese sofort zurück: „Gell, Theologie?“

Familiengründung im Studium

Das klare Berufsziel „Pfarrer“ stand jedoch erst ab der Zwischenprüfung fest, entscheidend dafür waren die Erfahrungen während eines sechswöchigen Praktikums in der Klinikseelsorge. Die Familiengründung geschah noch während des Studiums in Tübingen, Basel und Zürich. Während des Vikariats in Strümpfelbach wurde das dritte Kind geboren. Schon damals entwickelte sich der genaue Blick auf Schichten und Milieus: Wen erreichen wir als Kirche nicht, wer ist außerhalb unseres Blickwinkels?

Die Zeit als unständiger Pfarrer führte Christoph Schweikle für 16 Monate in den Schwarzwald und dann ans Stift Urach, von Bad Urach aus absolvierte Christoph Schweikle in drei Semestern in Esslingen ein Kontaktstudium in Kirchenmusik. Er hätte also auch Organist werden können - schon sein Studium hatte er zum Teil mit Orgelspiel finanziert. Seine Sicht auf den Gottesdienst ist immer auch musikalisch. Als Pfarrer in Benningen bei Marbach wirkte er in einem Ort, der seine Bevölkerung durch Pendler in 15 bis 20 Jahren verdoppelt hatte. Wieder galt es, neue Schichten in den Blick zu nehmen, die Kirchengemeinde baute ihr neues multifunktionales Gemeindehaus als „Haus der Begegnung“ mitten im Dorf.

Es folgten achteinhalb Jahre als Pfarrer in Guatemala und El Salvador. Die deutschsprachige Kirchengemeinde war ein buntes Gemisch, vom wohlhabenden Auslandsdeutschen in dritter oder vierter Generation bis zum Aussteiger und Botschaftsmitarbeiter. Den Religionsunterricht an der deutschen Schule erteilte Christoph Schweikle in Spanisch und mit deutschen Liedern. Sehr wichtig waren ihm zwei Sozialprojekte, zum einen eine Krankenstation und eine kleine Grundschule in der Stadt und zum anderen ein Ernährungs- und Schulprojekt in einer Hochlandgemeinde. Er nahm die Gemeinde in Verantwortung und gründete ein Sozialkomitee. Er nutzte während dieser Zeit in Mittelamerika die Gelegenheit zur Fortbildung in Princeton, USA.

Während der dreijährigen Projektstelle „Gottesdienst“ wartete kein Pfarrhaus auf ihn, die Wohnungssuche im Großraum Stuttgart war von Guatemala aus sehr schwer. In letzter Minute fand die Familie in Kirchheim zuerst ein viel zu kleines Domizil, so kam der Pfarrer als „normales“ Gemeindemitglied in die Stadt. Doch dann übernahm er die Pfarrstelle an der Christuskirche - zuerst als Vertretung, dann fest.

Das ist nun acht Jahre her, seitdem wurde die Christuskirche zum Kinder- und Familienzentrum, wurde mit den „Christis“ die womöglich einzige evangelische Ministrantengruppe des Landes eingerichtet. Die neu gestarteten Konfi-3-Gruppen - mit einigen Wochen erstem Konfirmandenunterricht in der dritten Klasse - wurden sehr beliebt. Die Kirchengemeinde stieg in die Sozialarbeit am Gaiserplatz ein, es wurde eine selbstverwaltete Wärmestube eingerichtet, die Weihnachtsaktion des Teckboten half kräftig mit. Im neuen Projekt „Aufmerksame Gemeinde“ will die Christusgemeinde Engagementwillige und Aufgaben zusammenbringen. Für dieses Projekt richtet die Landeskirche nun zum 1. Januar 2022 für fünf Jahre eine Diakonstelle ein. „Zum 1. Januar 2023 gehen wir auf den Beitritt zur Stadtkirchengemeinde zu“, sagt Christoph Schweikle. Als Weggehender hat er sich bei der Abstimmung zwar enthalten, freut sich aber trotzdem.

Info Die Abschiedsfeier am 18. Juli ist trotz überarbeitetem Hygienekonzept mit mehr Plätzen in der Martinskirche schon komplett ausgebucht.

Für sieben Jahre in die Diaspora

Bad Saulgau ist für die letzten sieben Berufsjahre Christoph Schweikles Arbeitsort. Auf die Diaspora, als evangelische Minderheit in katholischer Umgebung, sieht er sich durch seine Erfahrungen in Guatemala gut vorbereitet. Er hat ohnehin die Ökumene praktiziert, war Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und für den christlich-islamischen Dialog zuständig. Die Stelle in Bad Saulgau mit den Schwerpunkten Kinder und Familien, Gottesdiensten und Musik hat ihm zugesagt. Seine Frau kann ihre Arbeit als rechtliche Betreuerin weiterführen.

Nach Kirchheim zurückkehren will Christoph Schweikle, wenn er in den Ruhestand geht. Alleine ist hier als Ruhestandspfarrer oder -dekan keiner, die Stadt unter der Teck ist bei pensionierten Pfarrern als Alterssitz sehr beliebt und es gibt sogar regelmäßig eigene Treffen. pd