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Ex-Sträflinge bilden eine WG

Sozial Der Verein Bewährungshilfe Stuttgart baut in Nürtingen eine Wohngruppe für Ex-Häftlinge. Sie hilft ihnen, wieder ein normales Leben zu führen. Von Sabrina Kreuzer

In der Neuffener Straße in Nürtingen sollen ab Sommer Ex-Häftlinge eine Bleibe finden und somit resozialisiert werden. Foto: Rai
In der Neuffener Straße in Nürtingen sollen ab Sommer Ex-Häftlinge eine Bleibe finden und somit resozialisiert werden. Foto: Rainer Kanzler

Innerhalb von zehn Wochen ist das Gebäude in der Neuffener Straße in Nürtingen gebaut worden. „Mit vielen Überstunden und Samstagsarbeit“, sagt Architekt Norbert Morgenthaler. An dieser Stelle stand vorher schon ein Haus, das bis 2014 für betreutes Wohnen von Straffälligen genutzt wurde, danach als Flüchtlingsunterkunft. Da die Stadt das Gebäude nicht mehr benötigt, die Nachfrage nach Wohnplätzen jedoch nach wie vor vorhanden ist, entschieden sich der Verein Bewährungshilfe Stuttgart und die dazu gehörende Gesellschaft Prävent Sozial dazu, einen Neubau zu errichten.

Auf 181 Quadratmetern sollen ab dem Sommer bis zu neun Menschen Platz finden, die entweder aus dem Gefängnis entlassen wurden oder aufgrund besonderer Lebensumstände straffällig werden könnten. Sie werden dort nicht alleine leben, sondern unter der Woche tagsüber von bis zu zwei Sozialarbeitern betreut. „Unser Ziel ist es, die Menschen zu resozialisieren“, sagt Rainer Kanzler, Geschäftsführer von Prävent Sozial. „Wir wollen ihr Leben strukturieren, ihnen dabei helfen, eine Arbeit zu finden, ihre Schulden zu regulieren und den Kontakt zur Familie wieder aufzubauen.“

Im Haus gibt es Schlafzimmer, in denen die Bewohner ihre Privatsphäre haben, Gemeinschaftsräume, in denen sie zusammensitzen können, sowie ein Büro für die Sozialarbeiter. „Wir haben auch ein Notfallzimmer“, erklärt Kanzler. „Wenn an einem Freitag kurzfris­tig jemand aus der Justizvollzugsanstalt entlassen wird, kann derjenige hier untergebracht werden.“ In solch einem Fall würde ein Sozialarbeiter den Betroffenen aus der JVA abholen und mit nach Nürtingen nehmen. Am nächsten Werktag könne dann nach einem freien Platz in einer betreuten Wohneinheit gesucht werden.

Im Dachgeschoss gibt es eine separate Wohneinheit mit zwei Schlafzimmern, einem Gemeinschaftsraum und einer kleinen Küche. „Hier können beispielsweise Mütter mit Kindern leben“, sagt Kanzler.

In der Regel kommen die Menschen, die in der Nürtinger Wohngruppe untergebracht werden, aus der JVA Rottenburg mit einer maximalen Haftdauer von vier Jahren. Erste Kontakte mit der Bewährungshilfe Stuttgart und Prävent Sozial knüpfen sie schon im Gefängnis. „Der Sozialdienst in Haft hat ein Netzwerk mit Angeboten, bei denen wir auch dabei sind“, erklärt Kanzler. Die Gefangenen schreiben dann eine Bewerbung. Anhand dieser können die Sozialarbeiter einer Einrichtung entscheiden, ob der Bewerber in die Gruppe passt oder nicht.

Die Bewohner zahlen für ihre Unterkunft keine Miete, sondern der Landkreis zahlt Betreuungsgeld. „Wie lange die Unterstützung gewährt wird, ist von Kreis zu Kreis unterschiedlich“, sagt Kanzler. „In Esslingen sind es ungefähr 36 Monate.“ Zwischen einem und eineinhalb Jahren würden die Bewohner auch benötigen, um ihre Probleme auf die Reihe zu bekommen und ihr Leben zu strukturieren. „Manchmal sind die Bewohner auch schon gut resozialisiert, aber eine Anschlusswohnung zu finden, ist schwer“, erklärt der Geschäftsführer von Prävent Sozial. In solchen Fällen wären die Kreise oft bereit, das Betreuungsgeld für die Bewohner länger zu zahlen.

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt sei allgemein ein Problem, findet Nürtingens Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich: „Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist schwer, besonders für die sozial Schwächeren.“ Achim Brauneisen, Generalstaatsanwalt und Vorsitzender des Verbandes der Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg, findet: „Wer richtet, der muss auch wieder aufrichten.“ Es sei wichtig, dass die Menschen, die für die Verurteilung verantwortlich sind, den ehemaligen Häftlingen dabei helfen, ein Leben ohne Straftaten zu führen. Alleine im Bereich des Landgerichts Stuttgart brauchen jedes Jahr rund 1 000 Menschen diese Hilfe. Er ist froh, dass sowohl der Kreis Esslingen als auch die Stadt ihrer Arbeit offen gegenüberstehen und ermöglicht haben, eine Wohngruppe einzurichten.

Auch die direkten Nachbarn haben nichts gegen die zukünftigen Bewohner.