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Gefangen

Stell Dir vor, es ist Wahlkampf - und keiner merkt’s. So ähnlich ist die Situation. Die Kandidaten mühen sich: Da gibt es Fragerunden zu Kultur, Sport und Wirtschaft, die für brechend volle Säle sorgen würden - fänden sie nicht blutleer im Netz statt. Auf Diskussionen tauschen sich Fachleute und Minister aus, die man gern live erleben würde - nicht im Stream. Höhepunkte sind üblicherweise die Podiumsdiskussionen. Einige haben schon stattgefunden, weitgehend unbemerkt. Es ist längst Wahlkampf, und keiner merkt’s.

Coronabedingt kann der Wahlkampf nicht anders als online stattfinden. Das ist übel. Vom frischen Wind der Demokratie vor Wahlen, der am Wahltag im Urnengang gipfelt, ist nichts zu spüren. Trifft man mal zufällig jemanden beim Bäcker, schimpft man allenfalls hinter der Maske über Corona. Zu spontanen politischen Diskussionen kommt es nicht. Wo auch und mit wem? Und ins Netz loggen sich überwiegend die üblichen Verdächtigen ein. Die, die eh schon wissen, wen sie wählen.

Schwarzmalerei? Schön wär’s. Die OB-Wahlkämpfe in der Landeshauptstadt und im benachbarten Göppingen 2020 haben gezeigt, wie wenig ein Internetwahlkampf die Wähler anspricht. In beiden Fällen ging es um die Wurst, es kam zu Richtungswechseln - in Stuttgart mit nicht gerade berauschender und in Göppingen mit mickriger Wahlbeteiligung. Da war auch Wahlkampf, und keiner hat’s gemerkt.

Politik braucht die Öffentlichkeit, den Diskurs und im Wahlkampf ganz besonders auch den Kontakt mit dem Wähler. Plakatschlachten und Online-Termine schaffen es nicht, das beglückende Gefühl echter Mitbestimmung zu vermitteln. Dieser Landtagswahlkampf ist im Netz gefangen.