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geistliches Wort

Tag ein Tag aus rechnen wir damit, dass wir aufstehen können, Kraft haben, unsere Aufgaben zu erledigen, und wir planen in die Zukunft, als würde sich dieser Zustand endlos fortsetzen. Und plötzlich, über Nacht, werden wir krank, haben Fieber, sind geschwächt und alle Planungen brechen zusammen.

Da wird uns plötzlich bewusst, dass unser Leben an einem seidenen Faden hängt und letztlich dem Zufall überlassen ist. Auch im Großen wird bewusst, dass wir begrenzt sind: Wenn man mit Sicherheitskonzepten an ein Großereignis herangeht, wie beim G20-Gipfel, die Gewaltbereitschaft jedoch ins Unermessliche steigt. Oder wenn man langsam erkennt, dass der Mensch dieser Erde nicht immer gut tut und die Erderwärmung letztlich dem Menschen selber schadet.

Sobald wir ahnen, dass unser Leben am seidenen Faden hängt, wird uns bewusst, wie wenig man beeinflussen und steuern kann. Das haben Christen in allen Jahrhunderten geahnt und erfahren. Vielen ist es dann gelungen, sich an Gott zu wenden und vor allem bei ihm Schutz zu finden und sich zu bergen. Sie lebten im Bewusstsein, dass Gott ihnen das Leben geschenkt hat und dass er ihr Leben auch wieder beenden wird.

Zeiten von Krankheit und Krisen erlebten sie als Vorboten ihrer Endlichkeit. Sie bemühten sich, nicht von Gott wegzugehen, sondern mit ihm mit unterschiedlichen Gebetsformen wie der Klage, der Fürbitte oder des Dankens in Verbindung zu bleiben. Wenn sie ihr Leben brüchig und bedroht erlebten, wenn sie ahnten, dass ihre Existenz an einem seidenen Faden hängt, gingen sie davon aus, dass Gott nicht aufhört, an sie zu denken und auf sie aufzupassen. Sie vertrauten darauf, dass Gott Überlebenswege kennt und schlossen dabei auch Gottes Möglichkeiten in seiner unsichtbaren Wirklichkeit mit ein.

Wenn uns nun selbst eine plötzliche schwere Erkrankung mitten im Alltag trifft und uns aus viel Betriebsamkeit in Leiden, Schmerzen und Unsicherheit führt, sind wir eingeladen, es den Alten gleichzutun: sich an Gott zu wenden, die Not zu klagen und Fürbitte zu halten. Und wenn andere wissen, wie es uns geht, werden sie für uns beten und mit uns das Schwere tragen. Auch ein seelsorgerliches Gespräch entlastet und eröffnet neue Perspektiven. Der göttliche seidene Faden hält manchmal mehr als man denkt. Dann ahnen wir, dass Gott vielfältige Wege bereithält und er uns durchbringt.

Wilfried Veeser Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Dettingen