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Geistliches WortAuf einen grünen Zweig

Muss es nicht ein mitreißendes Bild gewesen sein: das Goldene Tor der fest ummauerten Stadt Jerusalem tut sich auf, im Triumphzug wird Einer wie ein König empfangen, an dem die Leute in Jerusalem viele ihrer Hoffnungen knüpfen. Mit Palmzweigen und Hosianna-Rufen begrüßen sie Jesus als ihren König.

Sie geizen dabei nicht, ihm den Messiastitel zu verleihen. Wer nichts in den Händen hält, bricht sich einen Palmzweig von den Bäumen ab und jubelt begeistert Jesus zu. Mit ihm kommen sie auf einen grünen Zweig, mit Jesus wird ihr Leben blühen und Früchte tragen, so denken sie.

Wie aprilhaft-wetterwendisch Stimmungen sich verändern können, erfahren wir noch in der gleichen Woche in Jerusalem, die aprilhaft-wetterwendische Stimmung erfahren wir so auch in der Karwoche, die als Woche der Gegensätze zu charakterisieren ist. Sie lenkt so den Blick auf unser Leben, das sich ja auch voll der Gegensätze oftmals zeigt: Freud und Leid, Liebe und Hass, Treue und Verrat, Jubel und Trauer, grausam und zärtlich.

Die jubelnden „Hosianna-Rufe“ am Palmsonntag werden bald übertönt von den hässlichen Schreien „ans Kreuz mit ihm“. Von himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt reicht so das Stimmungsbarometer damals in Jerusalem wie auch heute in der Karwoche, die mit dem Palmsonntag beginnt. Werden die Palmzweige zuerst noch als königliches Siegeszeichen benützt zum Jubeln und zur Begrüßung Jesu, werden sie schon bald Jesus um die Ohren geschlagen.

Nur, weil er anders ist, ganz anders als erwartet, unerträglich anders für viele Verantwortliche in Jerusalem: Jesus ist nicht der Befreier und mächtige König, der die Römer aus dem Land treibt wie erhofft - vielmehr ist er friedfertig, sanftmütig, demütig.

Mit solch einem ist kein Staat zu machen. Mit solch einem kommt man doch auf keinen grünen Zweig - oder? Durch unsere Hosianna-Rufe verkünden wir, dass wir auch heute von Jesus begeistert und davon überzeugt sind, dass wir mit ihm im Leben auf einen grünen Zweig kommen. Nur mit Jesus wird unser Leben blühen und Früchte tragen. Wir wissen auch - seine Wege sind oft andere Wege als wir sie gehen. Er haut nicht mit der Faust auf den Tisch; setzt sich nicht mit Gewalt durch; schreit und lärmt nicht und zieht über niemanden her. Wir kommen sicher mit ihm auf einen grünen Zweig, wenn wir seinen Wegen folgen, auf denen neues Leben in voller Pracht an Ostern aufblühen wird. Eine besinnliche Karwoche.

Franz Keil

Pfarrer von St. Ulrich, Kirchheim