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Geistliches WortDer Ernst des Lebens

Eben war ich bei der ­Feier für die Kinder, die in Neidlingen dieses Jahr in die Schule kommen. Wir haben mit einem Gottesdienst angefangen, danach führten die Kinder der zweiten Klasse einen Tanz und einen Buchstaben-Rap vor. Bürgermeister und Schulleiterin begrüßten die Kinder. Es gab eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken, für jede Familie an ihrem Tisch. Es war eine Feier unter den bekannten besonderen Umständen, aber die Mädchen und Jungs waren aufmerksam und neugierig, schon ein wenig aufgeregt, manche auch etwas zurückhaltend, je nach Temperament, doch nicht so, als käme nun der „Ernst des Lebens“ auf sie zu.

Erinnern Sie sich? So sagte man früher zu Kindern, wenn sie in die Schule kamen: „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens!“ Und nach der Schule hieß es das auch und nach dem Studium oder der Ausbildung wieder. Ich hörte diesen Ausspruch auch mal, als ich mein erstes Kind bekommen hatte. Eine ganze Menge „Ernst des Lebens“. Puh!

Jemand hat einmal gesagt: „Man sollte die Schule nicht ernster nehmen, als sie ist.“ Und in Entsprechung dazu könnte man auch sagen: „Man sollte das Leben nicht ernster nehmen, als es ist.“

Es stimmt schon, dass es ernst ist, das Leben. Manchmal ist es auch richtig schwer. ­Gerade wird uns manches ­zugemutet, das uns lästig erscheint: das Maskentragen, die Abstands­regeln, vieles finden wir umständlich - und vor allem: Kein Ende ist in Sicht. Aufmerksam, achtsam und vorsichtig zu leben, und das mit dem gebührenden Ernst, ich halte es für angemessen, gerade jetzt. Aber man kann dies auch fröhlich tun, mit einem Lächeln, mit einem Augenzwinkern. Und nicht so, dass man uns den „Ernst des Lebens“ schon von Weitem ansieht.

Trotz allem Ernst sich am ­Leben zu erfreuen - das ist eine Kunst. Ab und zu auf inneren Abstand zu gehen zu den Sorgen, die einen belasten, und zu sich selbst. Und sich so zu fühlen, wie Hanns Dieter Hüsch es beschreibt: „Ich bin vergnügt, ­erlöst, befreit. Gott nahm in seine Hände meine Zeit, mein Fühlen, Hören, Denken, Sagen, mein Triumphieren und Verzagen, das Elend und die Zärtlichkeit. … Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält? Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt.“

Ute Stolz

ev. Pfarrerin in Hepsisau und Neidlingen