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Geistliches WortDer ferne und der nahe Gott

Unseren Gott denken wir uns gerne als einen nahen Gott. Schließlich wollen wir Zuspruch von ihm erfahren. Wir wollen uns vergewissern, dass er bei uns ist auf den Wegen unseres Lebens. Doch lässt Gott durch seinen Propheten Jeremia anderes ausrichten: „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der fern ist?“ Manchmal erleben wir diese Gottesferne tief und abgründig in unserem Leben - ein Unfall, eine schlechte Diagnose oder eine Kündigung. Hart und unverständlich trifft es uns dann, wenn Gott uns fern und verborgen zu sein scheint. Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, und nicht auch ein Gott, der fern ist?“ Sollte Gott etwa immer nur nahe sein? Gott ist größer, als dass wir ihn an der Hundeleine stets bei uns führen könnten. Gott ist mehr als ein harmlos-freundlicher Glücksbringer. Gott ist Gott und keine Versicherung gegen Schicksalsschläge im Leben. Gott ist auch dort, wo wir ihn nicht fühlen, wo er uns keine Sicherheit gibt, wo er nicht alles Dunkel in unserem Leben und in der Welt aufklärt.

Gerade weil wir wissen, wie zerbrechlich unser Leben ist, fragen wir oft danach, wie unser Leben dennoch gelingen kann. Aus der Angst um unser Dasein klammern wir uns an Bilder von Gott, die unseren Vorstellungen entgegenkommen. Doch weil Gott mehr ist, haben diese naiven Gottesbilder keinen Bestand. Gottes Antwort auf unser Fragen kann durchaus im Widerspruch stehen zu unseren Erwartungen. Aber gerade darin zeigt es seine kritische Kraft. Gottes Wort ist keine beschauliche Sammlung von Poesiealbum-Sprüchen. Vielmehr begegnet uns in seinem Wort ein echtes Gegenüber und nicht nur ein weich gezeichnetes Traumbild von uns selbst. Wann wird das deutlicher als in der Osterzeit und an Himmelfahrt? An Karfreitag war Jesu Tod und Hoffnungslosigkeit angesagt. Jesus starb einen erbärmlichen Tod am Kreuz, und die Menschen verabschiedeten sich innerlich von ihm. An Ostern jedoch ist das Leben wieder in seiner Strahlkraft mit der Botschaft „Christus ist auferstanden“ aufgebrochen. Jetzt an Himmelfahrt scheint sich Jesus wieder den Seinen zu entziehen. Aber wir wissen, er ist deshalb nicht von uns genommen. Er bleibt uns nahe wie eh und je. Denn wir wissen, er wird allemal über dem sein, wie wir ihn uns vorstellen wollen und können.

Arnd Kaiser

Pfarrer in der evangelischen Stadtkirchengemeinde Kirchheim