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Geistliches Wort„Ein köstlich Ding“

Der Alte Fritz, König von Preußen, fragte bei der Inspektion einer Schule einen Jungen, wo Potsdam liege. „In Preußen, Majestät!“ Und Preußen? „In Deutschland, Majestät!“ Und Deutschland? „In Europa, Majestät!“ Und Europa? „In der Welt, Majestät!“ Und die Welt? Der Kleine stutzte einen Augenblick, dann wusste er es: „Die Welt liegt im Argen!“ Woher hat der Junge diese Antwort? Reden so Erwachsene? Die Welt liegt im Argen. Das mag stimmen, aber es schwingt in dieser Antwort auch viel Pessimismus mit. Die Welt stöhnt und seufzt unter großen Lasten. Aber ist es das Einzige, was man heute über die Welt zu sagen hat?

Vor kurzem begegnete mir ein Hochzeitszug in einem Albdorf. Die das Fest höchster Herrlichkeit feiernde Gesellschaft kam vom Standesamt, ging zu Fuß durch den Ort. Freude prägte die Unterhaltung der die Straße entlang schlendernden Menschen. Unbeschwertes Lachen erfüllte die Luft, kündete vom Glück der Liebe und der Vorfreude auf die gemeinsame Zukunft. Es war, als wollten die Gäste nicht nur einander, sondern auch Vorbeifahrenden mitteilen: „Merkt’s euch, wir sind glücklich, wir freuen uns auf die Zukunft.“

Was will man den Mitmenschen mitteilen? Die Welt liegt im Argen? Oder: Seid froh und glücklich wie ihr seid? Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Auf der einen Seite: Passt auf die Welt auf! Es gibt wirklich die eine Welt, die man hat. Sie ist bedroht vom Argen, vom Egoismus, von der Lüge, von Gedankenlosigkeit, vom Verderben, von Gewalt, von Ausbeutung, von Lieblosigkeit. Man soll sie bewahren, sonst wird sie eine arge Welt. Und andererseits: Seid glücklich! Freut euch dieser Welt! Genießt sie! Lebt in ihr als fröhliche und dankbare Menschen! Es ist eine kostbare, eine köstliche Welt!

In der Bibel beginnen drei Sätze prägnant mit: Es ist ein köstlich Ding. Es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf den Herrn hoffen. Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht aus Gnade. Ein köstlich Ding! Uns ist aufgegeben, in einer gewiss nicht leichten und für manchen sogar als schlimm erfahrenen Welt Köstliches zu suchen.

Vielleicht kommen einem da Worte aus Psalm 36 in den Sinn, mit denen ein Mensch trotz des Argen Gott lobend betet: Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben! Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

Ulrich Müller

Pfarrer in Bissingen und Ochsenwang