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Geistliches WortJesus hatte Zeit

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„Ich mach dich zur Schnecke!“ Das ist kein Kompliment, und trotzdem wünsche ich Ihnen, dass Sie heute jemand „zur Schnecke macht“. Die Schnecke ist langsam, klein und weich. Sie ist all das, was nicht gefragt ist. Schnelligkeit, Größe und Härte sind „in“. Unsere Geschwindigkeit ist atemberaubend; manchmal raubt sie uns wirklich den Atem - zum Leben.

Von Jesus wird nie berichtet, er sei gerannt, obwohl sein Leben kurz war. 33 Jahre ungefähr. 90 Prozent davon lebte er ein Alltagsleben als Zimmermann. Nur wenige Monate zog er als Wanderprediger durchs Land und nahm sich dabei viel Zeit für die Menschen. Dann war alles vollbracht.

Er hatte Größtes zu vollbringen, aber er hatte Zeit. Wieso? Ich glaube, weil er mit seinem Weg nicht immer weiter wollte, sondern schon bei Gott zu Hause war. Ruhe finden ist nicht zuerst eine Frage von Beruf, Aufgaben und Terminen, sondern eine Frage des Wohnortes der Seele.

„Gemach, gemach!“, sagen wir, wenn wir auf Normaltempo herunterbremsen. In großen Häusern nennen wir die Räume gerne Gemächer. Dieses Wort erinnert an das Geheimnis der Ruhe, wie Jesus sie hatte. Bei Gott selbst ein Gemach haben, einen Wohnraum, wo ich geborgen und geschützt bin. Wo nicht in Hast und Getriebenheit mein Leben abgewickelt wird, sondern wo ich beruhigt leben und wohl auch sterben kann. Da sehe ich noch einmal die Schnecke. Bei Gott wird sie zum Vorzeigetier. „Gemach!“ wie die Schnecke. Ein Gemach haben wie sie - unterwegs und immer zu Hause, das Haus für die Seele immer dabei. Im morgendlichen Stau ebenso wie bei Tempo 130, im Wartezimmer des Arztes ebenso wie auf der Arbeit am Montag. Das zu spüren, braucht nicht viel Zeit, sondern viele kleine Erinnerungen, Mikromomente des Glaubens. Wohl dem Menschen, den Gott so „zur Schnecke macht“, dass die Seele mit einem kurzen Satz aus der Bibel sagen kann: „Von allen Seiten umgibst du mich, Gott, und hältst deine Hand über mir.“

Axel Rickelt

Pfarrer der evangelischen Stadtkirchengemeinde, Kirchheim