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Geistliches WortKopftuch, Kippa und Bart

Für den heutigen Tag hat Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, aufgefordert, aus Solidarität mit jüdischen Menschen die Kippa zu tragen. Vor einigen Tagen hatte er vor antisemitischen Auswüchsen gewarnt und Juden geraten, nicht an jedem Ort mit der Kippa in die Öffentlichkeit zu gehen. Ein Aufschrei ging durch die Welt. Zu Recht.

Ob ich mich traue, meine Kippa zu tragen? Wenn ja, dann um zu zeigen, dass Diskriminierung von Juden nicht geht. Nicht in Deutschland und nicht anderswo. Sollte ich es wagen, dann sicher nicht, um mich zu denen zu gesellen, die ihre scheinbare Solidarität benutzen, um andere Religionen zu diffamieren. Heute sind sie „Judenfreunde“ und „Islamfeinde“, doch es ist der gleiche Schoß, aus dem gestern auch der Antisemitismus kroch. Wer wird morgen zum „Anderen“?

Wenn ich es wage, meine Kippa zu tragen, dann hat das ganz bestimmt nichts mit der israelischen Regierung zu tun. Regierungen bestehen aus Menschen. Menschen machen Fehler. Und oft wird Religion und Volkszugehörigkeit durcheinandergebracht. Ich sollte meine Kippa an jedem Tag tragen, an dem noch ein Mensch Angst hat, seinen Glauben zu bekennen. Das gilt für Menschen jeden Glaubens. Vor einiger Zeit hatte ich eine ähnliche Idee, als es muslimischen Frauen verboten war, an bestimmten Orten Kopftuch zu tragen. Ich habe mich dann aber nicht getraut, mit einem Kopftuch Reli zu geben. Deshalb an dieser Stelle mein Respekt vor allen, die sich am vergangenen Samstag in die „Würde-Kette“ eingereiht haben. Denn darum geht es, um Würde. Würde ist jedem geschenkt, bedingungslos. So, wie es im Grundgesetz verankert ist, und so, wie es im ersten Testament jedem Menschen zugedacht ist.

Verhüllung ist nicht immer ein Zeichen von Bevormundung und Enthüllung ist nicht immer ein Zeichen von Freiheit. Oft ist es gerade umgekehrt. Der Mönch in seiner Kutte, die Nonne in ihrem Habit, die muslimische Frau mit Kopftuch oder der jüdische Mann mit Kippa dürfen selbstverständlich ihre Religionszugehörigkeit zeigen. Überall, wo dies behindert wird, wo Menschen Angst haben, wenn sie zu ihrer Überzeugung stehen, ist es nötig, dass andere sich solidarisieren.

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center wurden Bartträger pauschal als Terroristen diskriminiert. Heute tragen wieder viele Männer - junge, alte, christliche, muslimische, jüdische und andere - wieder Bart. Ein gutes Zeichen. Ob ich heute mit der Kippa rausgeh‘? Wir werden (uns) sehen.

Paul Bosler

Pfarrer in Nabern