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Geistliches WortStille erleben

Die Konfirmandin sagte: „Wir müssen mal wieder mit Stille anfangen, das haben wir schon lange nicht mehr gemacht.“ Sie hatte die Einstimmung in die Unterrichtsstunde vorbereitet mit Lied, Gebet und eben Stille.

Anstatt zum wiederholten Mal an diesem Tag eine Geschichte oder einen Text vorzulesen, fand sie es richtig wohltuend, gemeinsam Stille zu erleben. Wer stillhalten und verschwiegen sein kann, dem bleibt viel erspart, mancher Rücktritt zum Beispiel. Es muss auch niemand zurückrudern, weil er es doch nicht so gemeint hat.

Anvertrautes sollte nicht nur bei einer Ärztin oder bei dem Seelsorger bleiben. Bekannte sollten wissen, auf den ist Verlass, die kann schweigen. Ein Geheimnis für sich zu behalten, etwas mit sich auszumachen, sich nicht vergewissern können verlangt uns etwas ab. Manchmal sind sogar Nachteile zu ertragen, weil man nicht reden darf. Wer kann schweigen?

„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft“, so sagt es der Betende eines biblischen Psalms. Er weiß um das Gewicht von Worten, um die Belastung des Schweigens und auch um den Missbrauch des Redens. „Mit dem Munde segnen sie, aber im Herzen fluchen sie“, klagt er. Worten kann man nicht immer trauen. Welche haben Wert? Viele kennen den Druck, sich äußern zu müssen, möglichst schnell passende Worte parat zu haben. Die Langsamen, die Nachdenklichen, die Anderssprachigen tun sich schwer. Wie aus einer anderen Welt klingt dieser Satz: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.

Wir sorgen uns heute zu Recht um die Sprachfähigkeit. Denn wer sich nicht ausdrücken kann, wird schneller handgreiflich. Zugleich aber droht die Fähigkeit zur Stille verloren zu gehen. Wie vielen ist es unmöglich, in einer Kirche still zu sein, sich einfach hinzusetzen und zu meditieren? Wie leer erscheint es vielen, ohne Musik im Ohr, ohne Handy, ohne ständigen Kontakt unterwegs zu sein?

Es braucht daher nicht nur für Konfirmanden eine Anleitung zur Stille, um überhaupt erst still werden zu können zu Gott hin und die Hilfe wahrzunehmen. In der Stille zu Gott hin findet die Seele wieder zur Sprache. Still sein zu Gott hin ist kein Verstummen, sondern ein inneres Hören und Reden, innere Zwiesprache, ein Schweigen dann. Und in dieser Stille findet die Seele Ruhe, der ganze Mensch kommt wieder ins Lot und kann aufatmen. Gelassenheit stellt sich ein.

Warum also nicht auch Stille üben wie Sport oder Sprache, um gestärkt zu sein für die nächsten Aufgaben?

Rosemarie Fröhlich-Haug

Pfarrerin der evangeli­schen Kirchengemeinde Lindorf und Ötlingen