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Geistliches WortTyrannei lässt Leute flüchten

Herr, du bist der Armen Schutz gewesen in der Trübsal, eine Zuflucht vor dem Ungewitter, ein Schatten vor der Hitze, wenn die Tyrannen wüten. (Jesaja 25,4)

Die Gefahr der Tyrannei besteht immer. Ob damals im Ägypten des ersten Testaments. Ob im Land der menschenverachtenden Faschismus vor 75 Jahren. Und heute, so meinen viele, nicht nur jenseits des großen Teiches, sondern auch in Europa selbst. Nicht nur für Jesaja war immer klar, dass Gott auf der Seite der Armen steht. Auf Seite derer, die durch die Tyrannen unterdrückt werden und des besonderen Schutzes bedürfen. Dazu gehören die Verlierer der Coronakrise in Europa.

Auf deren Seite stellt sich der lebendige Gott. In Trübsal, in Ungewitter, in der Hitze, im Hunger, in der Bedrängnis und auch in der Not vorm Ertrinken.

Vor mir steht das Bild des ertrunkenen Kindes Alan Kurdi. Eines der sichtbaren Opfer der Abschottungspolitik der europäischen Union.

Nach Alan Kurdi wurde eines der Schiffe benannt, die im Mittelmeer versuchen, einen Teil der Menschen zu retten, die vor Tyrannen fliehen. Sie verlassen ihre Heimat, auch weil der Klimawandel zunehmend ihr Leben verunmöglicht. Diese Menschen haben weder Tyrannei noch Klimawandel verursacht, sondern sind Leidtragende. Viele Probleme stammen aus den reichen Ländern. Gerade die Menschen in Europa haben die Ursachen geschaffen mit ihrem unmäßigen Konsum von Energie und Rohstoffen. Und man tut das trotz allen „Fair“-Handelns immer noch und mehr.

Zum Beispiel wurden 40 Prozent mehr Kriegswaffen im ers­ten Quartal 2020 aus Deutschland exportiert als im Jahr zuvor. Auch dies ist eine Ursache für Krieg und in der Folge Flucht.

Doch es gibt nicht nur erschütternde Nachrichten, sondern auch Hoffnungszeichen.

Vor drei Wochen hat die ­„Sea-Watch 4“ den spanischen Hafen Burriana verlassen und hat innerhalb von 48 Stunden 200 Menschen vor dem Ertrinkungstod gerettet. „Ärzte ohne Grenzen“ und viele Unterstützer machen diesen Einsatz möglich. Sie tun damit etwas, das die europäischen Regierungen konsequent verweigern oder - schlimmer noch - durch absurde, nicht erfüllbare Auflagen verhindern. Die „Sea-Watch 4“ ist zurzeit das einzige Schiff, das Seenotrettung durchführen kann. Alle anderen Schiffe sind in europäischen Häfen festgesetzt.

Manche mögen das für unbedeutend halten. Doch für Gott ist jedes gerettete Menschenleben wertvoll. Dieser Einsatz ist ein Zeichen der Menschlichkeit.

Paul Bosler

Evangelischer Pfarrer in Nabern