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Geistliches WortZum neuen Jahr

Zum Jahreswechsel werden gerne berühmte Persönlichkeiten und Schriftsteller zitiert, die unsere guten Vorsätze, die wir gefasst haben, ins Wort setzen. Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ mit dem Satz „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben“ wird immer wieder dafür verwendet. Mir hat es aber vielmehr der Satz „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde“ angetan, der am Schluss dieses Gedichtes steht.

Die Weihnachtsfeiertage sind vorüber und wir bereiten uns auf den Jahreswechsel vor. Und doch ist es gut, am Ende eines Jahres den Blick nicht nur nach vorne zu richten, sondern auch Rückblick zu halten. Abschied vom Vergangenen zu nehmen. Nur wer sich mit seiner Vergangenheit versöhnt hat, kann in die Zukunft gerichtet leben.

In der Hospizbewegung gibt es das Wort vom „abschiedlichen Leben“. Wenn ich das heute für Sie schreibe, dann zeigt mir das Rechtschreibprogramm meines Computers an, dass das Wort „abschiedlich“ grammatikalisch falsch ist. Es ist bei mir rot unterstrichen. Es gibt zwar den Begriff Abschied, aber nicht das Adjektiv abschiedlich in der deutschen Sprache. Eigentlich schade. Denn eben dieses Wort, oder vielmehr das, was sich dahinter verbirgt, kann uns den Weg in das vor uns liegende Jahr 2020 ebnen. Sicherlich wird auch dieses Jahr vom Abschiednehmen nicht verschont bleiben. Es steht zu befürchten, dass der eine oder die andere von einem geliebten Menschen endgültig Abschied nehmen muss. Wahrscheinlich werden auch 2020 wieder Beziehungen in die Brüche gehen. Auch dieses Jahr werden wieder Kinder das Elternhaus verlassen und in die Welt hinausgehen, und höchstwahrscheinlich werden sogar ganze Familien aus Kirchheim oder einem der umliegenden Ortschaften wegziehen und wo anders neu beginnen. Ja, Abschiede gehören zu jedem Leben. Und es ist wichtig, dieses Abschiednehmen nicht zu verdrängen, sondern ins Leben zu integrieren. Wir als Christen, wir sollten wirklich abschiedlich leben können. Denn uns ist bei allem Wandel und bei allen Veränderungen eine bleibende Sicherheit versprochen: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Mit diesem Schlussakkord endet das Matthäusevangelium, das uns im vor uns liegenden Jahr begleiten wird, denn die Bibeltexte der katholischen Gottesdienste werden aus diesem Buch stammen. Nehmen wir diese Zusage als Gewissheit mit in unser Jahr 2020.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien einen guten Übergang ins neue Jahr und Gottes Segen für das Jahr 2020.

Rainer Wagner

Diakon der Seelsorge-einheit Kirchheim

in St. Ulrich