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„Ich bin in ein richtiges Loch gefallen“

Porträt Während der Elternzeit nagten auch an der Karrierefrau Christiane Scheid die Selbstzweifel.

Kirchheim. Dass es bei Frauen am Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hapert, erlebte ­Christiane Scheid während ihrer Elternzeit selbst: „Ich war ein halbes Jahr draußen und bin in ein richtiges Loch gefallen“, sagt sie. In ihre alte Firma wollte sie nicht zurück. Die Personalleitung hatte längst gewechselt „Ich war die Mutter in Elternzeit.“ Selbstzweifel nagten an ihr. „Ich war erschüttert, wie schnell das ging“, erinnert sich die 39-Jährige. Da half nicht, dass ihr Mann an sie glaubte. „Dazu ist er ja per Ehevertrag verpflichtet“, meint sie mit ihrem trockenen Humor. An dem angeschlagenen Selbstbild änderten weder der Verweis auf ihre Karriere vor der Geburt ihres Sohnes noch ihre drei Hochschulabschlüsse etwas. Sie ist nicht nur Diplom-Betriebswirtin (FH), sondern hat auch einen in England erworbenen Bachelor of Arts sowie den Master of Business Engineering einer privaten Hochschule in der Tasche.

Die Kehrtwende brachte ein ehemaliger Kollege, der sie für ein Ulmer Unternehmen anwarb. Ihre Zweifel, in Teilzeit als Recruiterin eine neue Abteilung aufzubauen, wischte er mit den Worten beiseite: „Was andere in fünf Tagen schaffen, schaffst du in vier.“ Im November 2017 begann sie mit ihrem Job. 2019 legte die Firma einen Rekord an Einstellungen hin. Doch statt der vertraglich geregelten 32 Stunden arbeitete Christiane Scheid 45 bis 50 Stunden pro Woche. Ihren Sohn sah sie nur noch morgens. „Ich brauche meine Arbeit, aber sie darf nicht zu Las­ten meiner Familie gehen“, so lautete ihre Erkenntnis nach zweieinhalb Jahren. Nachdenklich machte sie außerdem, dass Bewerbungen von Müttern in dieser Zeit kein einziges Mal den Zuschlag bekommen hatten. „Entweder sie verkauften sich unter Wert, wollten den falschen Job, oder sie wussten nicht, was sie konnten“, sagt Christiane Scheid. „Das hat mich so gefuchst.“ Sie zog die Reißleine und beschloss, sich als Bewerbungs- und Karrierecoach für Mütter selbstständig zu machen.

„Ich habe meine Erfüllung gefunden und kriege immer eine Gänsehaut, wenn ich von ‚meinen Müttern‘ ein lachendes ­Emoji bekomme“, sagt die vor Energie strotzende Bayerin. Mit Frauen, die anderen Frauen Steine in den Weg legen, geht sie hart ins Gericht: „Die kommen in eine andere Hölle.“ Für sich hat sie den perfekten Mix aus Beruf und Familie gefunden. Sie arbeitet 40 Stunden in der Woche von zu Hause aus und strahlt: „Für mich fühlt es sich richtig an.“ Anke Kirsammer