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Israel und der Schraubenzieher

Nahost Doron Schneider spricht bei der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde über Israel, über wirtschaftliche Erfolge und politische Fehler. Von Peter Dietrich

Doron Schneider spricht im Steingauzentrum über Israel.Foto: Peter Dietrich
Doron Schneider spricht im Steingauzentrum über Israel.Foto: Peter Dietrich

Die Konflikte im Nahen Osten sind kompliziert, auch in den Kirchen in Deutschland gibt es dazu sehr verschiedene Auffassungen - und Einseitigkeiten. Vor einer solchen warnte Doron Schneider bei seinem Gastvortrag in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde eindringlich: „Wenn ihr Israel­freunde seid, werdet nicht auto­matisch Araberfeinde. Das ist nicht christlich.“ Gottes Liebe gelte genauso den Arabern und Palästinensern. „Gott hat uns nicht auserwählt, weil wir besser sind“, betonte Doron Schneider. Schneider wurde in Deutschland geboren, lebt aber seit seinem elften Lebensjahr in Israel, hat mit anderen Familien in der Wüste eine Gemeinde messianischer Juden gegründet. Gott wolle sein auserwähltes Volk als Werkzeug gebrauchen, um die ganze Welt zu erreichen. Er halte daran fest, selbst wenn sich dieses Volk oft als „kleiner, krummer Schraubenzieher“ erweise.

Doron Schneider wohnt etwa zehn Autominuten von Jerusalem entfernt in einer jüdischen Ortschaft mit 35 000 Einwohnern. Der Alltag sei anders, als er durch Berichte im Ausland wirke, sagte er - auch wenn die deutsche Berichterstattung in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden sei. „Ich habe viele arabische Freunde, die gehen bei mir ein und aus. Die Sicherheitskräfte in unserem jüdischen Einkaufszentrum am Ort, die prüfen, dass niemand eine Bombe im Kofferraum hat, sind Araber.“

Weitere Schilderungen des Alltags wären spannend gewesen, blieben aber leider rar. Dem Referenten ging es mehr um die gro­ßen theologischen und geschichtlichen Linien. Der Staat Israel war die Idee von Theodor Herzl. Er sei Atheist gewesen, suchte nach einem Gebiet, das kein anderer wollte. „Er hatte christliche Freunde. Ein Pfarrer gab ihm eine Bibel, in der er die Verheißungen einer Rückkehr angestrichen hatte. Ohne diese Freunde säßen wir heute in Uganda.“

Rückreise in die Geschichte

Eine Woche pro Monat ist Doron Schneider zu Vorträgen über Israel unterwegs, den Rest des Monats für seine Immobilienfirma. Sie baut in Israel Wohnungen, durch etwa 30 000 bis 40 000 Einwanderer pro Jahr sind sie knapp. Der Redner weiß also, wie man um Investoren wirbt - und wie nicht.

Vor diesem Hintergrund bat er die Zuhörer, sich gedanklich ins Jahr 1947 zu versetzen. „Ich würde Ihnen vom im Mai 1948 geplanten Staat Israel berichten. Die Menschen haben keine gemeinsame Kultur, kaum landwirtschaftliche Erfahrung, kaum Erfahrung in der Staatsführung, aber viele Traumata. Im Land herrscht Wassermangel, es gibt keine Bodenschätze, aber Sümpfe und Wüste und rundherum Millionen Feinde. Wer ist bereit, in dieses fantastische Projekt zu investieren?“ Für Doron Schneider ist der dennoch erfolgte Wiederaufbau des Landes „ein Beweis, dass die Bibel recht hat“. Er räumte aber auch ein, dass Israel viele Fehler mache.

Was ihm politisch Hoffnung gibt: Israel sei wirtschaftlich attraktiv geworden. Es gebe rund 6000 Patente im Jahr und nur 3,5 Prozent Arbeitslosigkeit. Nach Gasfunden sei Israel zum Gasexporteur geworden - nach Ägypten, Jordanien und demnächst auch in die Türkei. Die Länder im Nahen Osten wollten an der Entwicklung teilhaben und mit Israel Geschäfte machen. Das könne auch zum Frieden mit Saudi-Arabien führen. Sei das womöglich ein falscher, trügerischer Friede? Das sei möglich, doch dies könne keiner wissen. „In der Zwischenzeit genießen wir diesen Frieden.“

Sehr genossen hatten 24 Mitglieder der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde ihre Reise zum Laubhüttenfest in Israel, das war im Herbst 2015. „Das hat etwas mit meinem eigenen Glauben zu tun“, beschreibt Pastor Günter Öhrlich die damalige Wiederentdeckung der jüdischen Wurzeln. Sie führte drei Jahre später zur offiziellen Partnerschaft mit der ­Gemeinde „King of Kings“ in Jerusalem. Die Gedanken hinter der Partnerschaft sind in einer Urkunde zu lesen, die im Steingauzentrum aushängt. Ob die Wüste nun tatsächlich blühe, wollte ein Zuhörer bei der Fragerunde wissen. „Heute ist das Land zu zehn Prozent bewaldet“, sagte Doron Schneider. Andere Gebiete seien nicht wirklich grün, dort würden in Gewächshäusern mit intelligenter Bewässerung Früchte und Gemüse angebaut. „Die Cherry-Tomate ist eine israelische Erfindung.“ Falafeln seien das übrigens nicht, auch wenn das manche meinten: „Sie sind arabisch, wir haben sie nur besser vermarktet.“