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Jedes Blatt hat seine GeschichteBaum als Mahnmal für den Frieden

Kunst Mit filigraner Hand und „Lupenaugen“ gestaltet Sonja Bressmer aus Jebenhausen zarte Ginkgo-Blätter mit grazilen Pinselstrichen. Von Sabine Ackermann

Diplom-Designerin Sonja Bressmer begeistert, dass „jedes Blatt unverwechselbar der individuellen Struktur und Form des Originals
Diplom-Designerin Sonja Bressmer begeistert, dass „jedes Blatt unverwechselbar der individuellen Struktur und Form des Originals“ folgt. Fotos: Sabine Ackermann

Konzentriert beugt sich Sonja Bressmer über das Ginkgo-Blatt. Ihr Arbeitstisch ist voll, die Brille hat sie dafür abgelegt. Etwa fünfzehn bis zwanzig Zentimeter passen zwischen ihren fokussierten „Lupenaugen“ und dem Mus- ter, das sie ohne zu zittern mit ruhiger Hand mit Gouache-Farben dünn aufträgt. „So sehe ich die feinen Linien, die im Zehntelmillimeterbereich liegen, besser“, erklärt sie und rahmt die weißen ovalen Flächen blau ein.

„Ginkgo biloba“ - steht der Urbaum der Menschheitsgeschichte schon im alten China als Symbol für weibliche und männliche Energien im Kosmos, die eine Einheit darstellen, legt Sonja Bressmer ihren Fokus insbesondere auf das Blattwerk. „Ein Ginkgo-Blatt zu bemalen, ist wie eine tiefe Mediation. Jeder Pinselstrich ist für mich Friede und Glück“, erklärt sie und macht deutlich: „Erst wenn ein Blatt strahlt, ist es für mich fertig.“

Ginkgo-Bäume im Schwabenland? Kaum vorstellbar. Eher zufällig entdeckte die gebürtige Süßenerin bei einem Spaziergang im Bergfeld die Blätter dieses asiatischen Baumes. „Ich habe mich schon immer für Bäume und Holz interessiert und aus diesem natürlichen Rohstoff von klein auf irgendwas gemacht.“ Zwischen Abitur und Studium absolvierte sie ein soziales Jahr in der Hauspflege und studierte anschließend an der Schwäbisch Gmünder „Fachhochschule für Gestaltung“ Produktgestaltung im grafischen Bereich.

Auch Holzarbeiten im Repertoire

Dort eignete sie sich unter anderem ihr Grundwissen im Modellbau, sowohl in der Holz-Verarbeitung als auch im Bereich Metall-Kunststoff an. Seit 33 Jahren arbeitet die Diplom-Designerin selbstständig, unter anderem auch im Messebau. Nebenbei entwickelte sie experimentelle Gestaltungstechniken in kunsthandwerklichen, malerischen und textilen Bereichen. Betritt man ihr erst vor Kurzem bezogenes Studio in Jebenhausen, stellt sich dort die komplette Vielfalt ihres Könnens dar. Ob farbenprächtige Öl- oder Aquarell-Malereien an den Wänden, selbstgenähte Kissen aus Stoffresten, die sich fein drapiert auf dem Sofa präsentieren, oder die unzähligen Holzarbeiten, die jeden Schreiner staunen lassen, Sonja Bressmer sagt: „Ich stehe auf Unikate.“ Einzelstücke, das sind sowohl die Ginkgo-Blätter als auch die kleinen Holzschmuckstücke aus Vollmaterial. Darunter befinden sich Unter anderem geschwungene Handschmeichler, die aus bis zu fünfzig Einzelteilen in unterschiedlicher Form, Größe und Holzart bestehen. „Ich lege mich auf kein Thema fest, bin da eher kreativ und experimentierfreudig“, sagt die 60-jährige Künstlerin.

Besonders beim Malen der Ginkgo-Blätter, die sie vergrößert als Bilder oder als Deckblatt in qualitativ hochwertigen Tagebüchern verkauft, steckt „leidenschaftliche Hingabe, Geduld und Liebe“, wie Sonja Bressmer betont. Was sie immer wieder an ihrer Arbeit begeistert: „Jedes Blatt folgt unverwechselbar der individuellen Struktur und Form des Originals.“

Der Ginkgo biloba wurde im Jahr 2000 vom deutschen „Kuratorium Baum des Jahres“ als Mahnmal für Umweltschutz und Frieden sowie zum Baum des Jahrtausends erklärt. Nach den Atombombenwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im Zweiten Weltkrieg war der Ginkgo der erste Baum, der wieder gesunde Blätter zum Vorschein brachte. ack