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Jetzt wird‘s spritzig

Barkeeping In Barcelona stürzt sich die Praktikantin des Teckboten für vier Wochen in die schillernde Welt der Spirituosen. Von Cara Döhlemann

Vierzig Milliliter Light Rum und zwanzig Milliliter Kokosnuss-Likör jetzt ,Free Pour’ in den Shaker“, hallt die motivierende Stimme von Felipe Garcia Ayesta in meinen Ohren, während ich hinter der Bar stehe und versuche, meinen ersten richtigen Cocktail zu mixen: die heißbegehrte Piña colada. Felipe Garcia Ayesta ist Barkeeper und einer der Lehrer an der European Bartender School (EBS) in Spaniens Millionenmetropole Barcelona. Jeden Monat kommen bis zu 80 Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Welt an die international anerkannte Barkeeper-Schule nach Barcelona, um hier das Handwerk des Bartendings zu erlernen. - Ich war letzten Monat eine davon. In vier Wochen habe ich gelernt, was es heißt, Barkeeper mit Leib und Seele zu sein und dass Bartending viel mehr ist als beschwipst hinter der Bar zu stehen und irgendwelchen Besoffenen Cocktails zu servieren. Mit dem Motto „Hard Work, Spirit & Soul“, was so viel bedeutet wie: harte Arbeit, Geist und Seele, bringt EBS die Werte hinter der Theke ziemlich gut auf den Punkt.

Mit wenigen Vorkenntnissen und vielen Erwartungen fliege ich nach Spanien und starte mit ungefähr 70 anderen Jugendlichen meinen ersten Schultag. Mir wird schnell bewusst, dass ich hier an einer der professionellsten Barkeeper-Schulen der Welt gelandet bin und es definitiv anspruchsvoller wird, als ich gedacht habe. Auf mich warten jeden Tag sechs Stunden Unterricht, jeden Morgen ein Test und schließlich fünf Abschlussprüfungen.

In den ersten beiden Wochen des Kurses stehen täglich jeweils zwei Stunden „Flair“, „Free Pour“ und „Bar“ auf dem Programm. Die Übungseinheiten werden von einer kurzen Theorieeinlage begleitet. Dabei erlerne ich die Regeln des Barkeepens, und jeden Tag erfahre ich von einer anderen Spirituose Herkunft und Produktion. Um bloß nicht zu vergessen, welchen Stellenwert Alkohol in der Welt der Cocktails hat, beginnt natürlich jeder Morgen mit einem Tasting.

Nach der Theoriestunde geht es mit einem Shot im Magen zum „Flair Training“. „Flair Bartending“ ist im Prinzip alles, was einen Barkeeper cool und talentiert wirken lässt. Beim Flair Training jongliere ich mit Flaschen, werfe Gläser und mixe Cocktails auf künstlerische Art und Weise. Meine Kinnlade rutscht weit nach unten, als uns zum ersten Mal die Tricks gezeigt werden, die wir am Ende der vier Wochen im Schlaf beherrschen sollten. Nach täglicher Übung, etlichen blauen Flecken an Armen und Beinen und kurzzeitigen Durchhängern zahlt sich meine Geduld jedoch aus. Plötzlich kann ich es: Gefüllte Glasflaschen in die Luft werfen und sie wieder fangen ohne meiner Umgebung eine Kopfverletzung zu verpassen.

Nach dem Flair Training geht es dann weiter mit dem sogenannten „Free Pouring“. Wie der Name schon vermuten lässt, geht es darum, frei einzuschenken. Frei heißt ohne einen Messbecher die richtige Milliliter-Menge abzuschätzen. Ich gieße also den Alkohol oder den Saft direkt von der Flasche in das Glas oder in den Shaker. Das Geheimnis dabei ist: Im Kopf mitzählen und die Flaschen im richtigen Griff halten. Auch hier gilt: Übung macht den Meister. Das „Bar Training“ steht natürlich beim Kurs im Vordergrund, deshalb wird ab der dritten Woche fast ausschließlich an der Bar geübt. Die Schule verfügt über einen Raum mit 20 vollausgestatteten Live Bars, die alles beinhalten, was das Herz eines Barkeepers höher schlagen lässt. Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass alle Alkoholflaschen nur mit Wasser und Lebensmittelfarbe gefüllt sind. Zu wissen, dass beim Üben nur Wasser und nicht literweise Alkohol flöten geht, verringert den Druck deutlich. Ziel ist es, am Ende 66 Cocktails mit allen Zutaten plus exakter Milliliter-Menge und der entsprechenden Zubereitungsmethode im richtigen Glas zu haben.

Da viele Cocktails aus bis zu acht verschiedene Zutaten bestehen, ist es eine echte Herausforderung, sich jeden einzelnen Drink zu merken und am Ende in der Prüfung fehlerfrei zuzubereiten. Das tägliche Training, bei dem wir immer wieder dieselben Cocktails rauf- und runtermixen, rühren und shaken, bringt allerdings Routine in den Kopf. Die Hände agieren irgendwann ganz von alleine.

Die letzten Tage des Kurses bestehen ausschließlich aus Prüfungen. Dementsprechend ist die Stimmung etwas angespannter als in den Wochen davor, in denen neben dem Lernen noch anderes auf dem Programm steht. Nicht nur an den Wochenenden ist immer was geboten, auch unter der Woche stellt es für mich keine Option dar, zu Hause zu bleiben. Egal ob Bootspartys, Bartouren oder Afterpartys - Barcelona ist definitiv nichts für Schlafmützen. Nicht ohne Grund ist die Metropole als „die Stadt, die nie schläft“ bekannt. Und nicht nur dafür ist der Touristenmagnet bekannt - die Klubs und die Bars sind ihr Aushängeschild. Wo also sonst einen Barkeeper-Kurs machen?