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Kampf um das Corona-Impfzentrum

Pandemie Markus Müller, der ärztliche Leiter des Kreisimpfzentrums Esslingen, befürchtet, dass nach der für 30. September geplanten Schließung viele Menschen durchs Raster fallen könnten. Von Thomas Schorradt

Markus Müller spricht sich für eine Schließung des Kreisimpfzentrums in den Messehallen (Foto) aus. Das Esslinger Impfzentrum so
Markus Müller spricht sich für eine Schließung des Kreisimpfzentrums in den Messehallen (Foto) aus. Das Esslinger Impfzentrum solle hingegen weiter bestehen. Foto: Carsten Riedl

Je näher die Schließung der Kreisimpfzentren rückt, desto stärker wächst der Druck auf das baden-württembergische Sozialministerium, die Einrichtungen über den 30. September hinaus geöffnet zu lassen. „An uns wenden sich vermehrt Menschen, die verzweifelt fragen, wo sie denn ihre Zweitimpfung bekommen sollen, wenn wir in drei Wochen schließen“, sagt Markus Müller, der ärztliche Leiter des Impfzentrums in der Esslinger Zeppelinstraße. Seinen Worten zufolge stünden dann vor allem die Impfwilligen regelrecht auf der Straße, die keinen Hausarzt hätten.

„Die niedergelassenen Ärzte sind sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, allein wegen der Corona-Impfung neue Patienten aufzunehmen“, sagt Müller, der nicht versteht, weshalb die Politik trotz der Verschärfung der Pandemie an den Schließungsplänen festhält. Müller setzt sich mit Nachdruck dafür ein, gerade in dem bevölkerungsreichen Kreis Esslingen das kostengünstigere und zentral gelegene Impfzentrum in Esslingen fortzuführen und die Einrichtung in den Messehallen dafür zu schließen. Mit dem Weiterbestand des Esslinger Impfzentrums ließe sich auch das Aus für den Impfbus verhindern, der erfolgreich den ländlichen Raum bedient.

Im Stuttgarter Sozialministerium dagegen beharrt man auf der Schließung aller Impfzentren bis Ende September. Insgesamt sei die Zahl der Impfungen dort stark zurückgegangen, heißt es in einer Mitteilung. Die großen Zentren rechneten sich nur bei voller Auslastung und hätten zu Beginn vor allem dazu gedient, möglichst viele Menschen innerhalb kurzer Zeit zu impfen. Nun sollten die Impfungen, wie ja auch schon gut eingespielt bei der Grippe, Masern oder Zecken, in den Praxen der Hausärztinnen und Haus- ärzte stattfinden. Das, so heißt es in der Mitteilung weiter, sei für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit der Betriebs- ärzteschaft auch gut leistbar.

Das Argument mit der sinkenden Impfnachfrage lässt Markus Müller nicht gelten. Sowohl in dem Zentrum in Esslingen als auch im Impfbus sei die Zahl der Impfwilligen zuletzt wieder gestiegen. „Bereits in der vergangenen Woche waren es im Vergleich zur Vorwoche 30 Prozent mehr. Rund die Hälfte davon waren Erst- impfungen“, sagt der Arzt, der als Grund für den Anstieg die Urlaubsrückkehrer, den Schulbeginn und den zunehmenden Druck auf Ungeimpfte nennt. So würden derzeit vor allem die Zwölf- bis 17-Jährigen, begleitet von ihren Eltern, ins Impfzentrum kommen. „Viele sind hier, weil ihr Kinderarzt nicht impft“, sagt Müller. Ähnlich sei die Lage bei den Schwangeren, wo nur wenige Gynäkologen der Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) nachkommen würden. Auch der Wunsch nach einer Drittimpfung nehme zu. Nach Ankündigungen der Politik sollen diese Drittimpfungen auf alle Menschen ab 60 Jahren unabhängig von Vorerkrankungen ausgedehnt werden. „Doch vonseiten der Kreisärzteschaften wird davor gewarnt, diese Impfungen ohne Stiko-Empfehlung und ohne Zulassung durch die europäische Arzneimittelagentur zu machen“, sagt Müller. Dagegen seien die Kreisimpfzentren vom Sozialministerium ausdrücklich angehalten, Drittimpfungen bei älteren Menschen vorzunehmen.

Müller befürchtet nun, dass viele Menschen am Ende nur unvollständig geimpft sein könnten und dass sich dadurch Virusmutationen noch schneller verbreiten würden. Und schließlich verweist der Esslinger Mediziner noch auf die Praxis in Bayern, wo die Arbeit der Impfzentren bis Ende April 2022 verlängert wurde, um der Pandemie Herr zu werden. Schützenhilfe bekommt der Mediziner von Marc Lippe. Der Geschäftsführer des Malteser Hilfsdienstes im Landkreis ist für den Betrieb der beiden Impfzentren verantwortlich. „Für uns hat die Fortführung des Impfbusses allerhöchste Priorität“, sagt Lippe. Da der eine Anlaufstelle benötige, müsse sinnvollerweise auch das Esslinger Impfzentrum fortgeführt werden. „Wenn wir dort im Vollbetrieb fahren, dann kommt das unter dem Strich günstiger als die Versorgung über die Struktur der niedergelassenen Ärzte“, sagt der Malteser-Chef.