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Keine Gnade mit dem Protzer

Umwelt Der Holzmadener Wald gehört zu den kleineren Forstgebieten. Bei einer Begehung erfahren Bürgermeister und Gemeinderäte viel über seine Zukunft. Von Thomas Zapp

Revierförsterin Julia Usenbenz und der stellvertretende Forstamtsleiter Johannes Fischbach erklären, wie der Wald für den Klimaw
Revierförsterin Julia Usenbenz und der stellvertretende Forstamtsleiter Johannes Fischbach erklären, wie der Wald für den Klimawandel fit gemacht wird. Kleines Foto: Aus der Nähe sehen sie gar nicht so gefährlich aus, die Buchdrucker und Kupferstecher. Fotos: Carsten Riedl

Ein Wald dient auch dem Geldverdienen, daran findet Johannes Fischbach überhaupt nichts Verwerfliches. Der stellvertretende Forstamtsleiter im Landkreis geht noch weiter: Auch für das Klima ist es besser, wenn Holz für einen Dachstuhl genutzt wird, als wenn es liegen bleibt und verrottet. „Denn dann wird das im Holz gebundene CO2 wieder freigesetzt“, sagt er. Die Holznutzung sei dagegen viel effektiver. Er hat ein Waldfoto dabei, auf dem eine große „8“ zu sehen ist. Das ist die Eselsbrücke: Auf jedem Hektar Wald werden 8 Tonnen CO2 pro Jahr gebunden. Auf Holzmaden umgerechnet sind das 2000 Tonnen CO2 pro Jahr. „Das ist ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel“, sagt er. Und außerdem bringt sie das Geld für die Gemeinde Holzmaden. Das hören Bürgermeister Florian Schepp und die Gemeinderäte, die an der Begehung des Gemeindewaldes teilnehmen, wahrscheinlich gerne.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Holzmadener Wald mit 50 Hektar relativ klein und sein Baumbestand entweder sehr jung oder sehr alt ist. Von den 50 Hektar befinden sich außerdem nur 25 in Gemeindebesitz, die andere Hälfte teilen sich viele Privatbesitzer. Das macht die Arbeit der Förster nicht unbedingt einfacher. Mit 150 Festmeter pro Hektar ist er auch nicht besonders ergiebig, denn die für die Verarbeitung interessanten „mittelalten“ Bäume fehlen. „Das ist ein Aufbaubetrieb und daher erst mal teuer“, sagt Julia Usenbenz. 

Das Geschäft hat seine Tücken, denn gefragt sind für die Holzverarbeitung Stämme ohne Äste. Der Protzer, auf den die Försterin zeigt, hat sich mit Ästen auf niedriger Höhe breit gemacht und nimmt den umstehenden Bäumen das Licht, um sich zu entwickeln. Er steht auf einer „Lothar-Fläche“, die nach dem legendären Orkantief im Jahr 1999 behutsam und viefältig wieder aufgeforstet wurde. „Der Protzer muss raus“, sagt Julia Usenbenz. Die Buche wird nun gefällt, bleibt aber im Wald liegen. Ein Transport wäre in dem unwegsamen Gelände mit der zugewachsenen Rückegasse zu aufwendig. Für Holzmaden gilt: „Es gibt wenig Fläche, wo man Geld rausholen kann, relativ viel, wo man reinsteckt“, erklärt Johannes Fischbach.

Mehr Platz, als der Revierförsterin lieb ist, gibt es auf einer rund 0,4 Hektar gro­ßen Lichtung. Hier hatte vor zwei Jahren Sturm „Sabine“ ihr Unwesen getrieben und den Bestand aus 50 bis 60 Jahre alten Fichten komplett aufgerissen. Der Boden im Holzmadener Wald ist tendenziell feucht, die Fichten hatten Stammnässe und konnten dem Sturm nichts entgegensetzen. So ein „aufgerissener“ Bestand ist ein Paradies für Buchdrucker und Kupferstecher, die heimischen Borkenkä­fer­arten. Was jetzt noch steht, wird in Kürze abge­holzt, denn das „bruttaugliche Material“, sprich: die toten Bäume, muss entfernt werden. Eine Eiche steht noch zwischen den kaputten Fichten, und die lassen die Forstleute auch drin. Ein rund 400 Euro teurer Zaun soll es vor Rehen schützen, denn die gehören zum Wald wie die Borkenkäfer und lieben junge Eichentriebe. Die Gemeinde wird weitere 9000 Euro für die Abholzung zahlen müssen, es gibt aber auch noch eine Spende der Schutzgemeinschaft Wald. Rund um die Eiche sind Setzlinge im Boden aufgegangen: So geht Naturverjüngung. Die kos­tet zwar Zeit, ist aber auch nachhaltiger. „Der Waldumbau läuft schon lange“, sagt Julia Usenbenz. Für die Zukunft und den Klimawandel müsse man auf verschiedene Baumarten setzen und schauen, welche sich am bes­ten anpassen. Die Eiche mit ihren tiefen Wurzeln wird wohl dabei sein, die Fichte wird aber nicht mehr aktiv gepflanzt. Vor 80 Jahren war das beliebte Bauholz gezielt gepflanzt worden, das ist heute nicht mehr möglich. „Im Jahr 2100 ist auf dem Feldberg Weinbau möglich. Dann können Sie sich vorstellen, was in einer Gegend wie dieser hier los ist“, sagt Johannes Fischbach. Doch es geht nicht nur um Bauholz, denn auch ein kleiner Wald wie in Holzmaden hat eine weitere wichtige Funktion als Naherholung. „Der Druck hat in der Corona-Zeit zugenommen, auch Leute, die den Wald früher nicht genutzt haben, kommen jetzt“, sagt er. Das bringt zwar unerwünschte Nebenwirkungen wie Radspuren und Müllreste, zeigt aber auch, dass der Wald so viel mehr ist als ein Wirtschaftsraum.

Waldbegehung Gemeinderat Holzmaden
Waldbegehung Gemeinderat Holzmaden