Unzugeordnete Artikel

Kirchheimer Waldorfschule weist Vorwürfe zurück

Recht In einem anonymen Brief wird die Schule beschuldigt, die Corona-Regeln missachtet zu haben. Sie hat Anzeige wegen Verleumdung erstattet. Von Bianca Lütz-Holoch

Die Corona-Vorgaben haben Lehrer- und Elternschaft an der Waldorfschule gespalten.Foto: Markus Brändli
Die Corona-Vorgaben haben Lehrer- und Elternschaft an der Waldorfschule gespalten.Foto: Markus Brändli

Seinen Namen nennt der Schreiber nicht. Er sei Landesbeamter und fürchte um seine „körperliche und psychische Unversehrtheit“, falls er mit den Informationen in Verbindung gebracht werde. Was er mitzuteilen hat, klingt brisant: Er schreibt, dass an der Kirchheimer Waldorfschule Unterricht „unter Missachtung aller gültiger Hygiene-Vorschriften“ der Corona-Verordnung stattfinde. Mehr noch: Es würden Kinder in einer gesonderten Klasse ohne Masken unterrichtet, berichtet er und folgert: „Das ist offensichtlich ein Entgegenkommen an die zahlreichen ,Querdenker‘ in der Elternschaft dieser pädagogischen Einrichtung.“ Der anonyme Brief ist dem Teckboten ebenso zugegangen wie der Stadt Kirchheim, dem Gesundheitsamt und dem Regierungspräsidium als Schulaufsichtsbehörde. Sie alle gehen dem Fall nach.

Die schweren Anschuldigun­gen möchte die Schule nicht hinnehmen: „Wir haben bei der Polizei Anzeige wegen Verleumdung erstattet“, sagt Werner Ehringfeld, Geschäftsführer der Kirchheimer Waldorfschule. „Diese Vorwürfe sind vollkommen haltlos“, stellt er seine Position klar. „Wir ­haben eine dicke, fette Hygieneordnung, die wir immer wieder auf den neuesten Stand bringen.“ Die Corona-­Verordnung zu umgehen und Unterricht ohne Masken zu dulden, komme für ihn nicht infrage. „Die Lage ist ernst, und wir tragen unseren Teil dazu bei, die Corona-Pandemie einzudämmen.“ Abgesehen davon könne sich die Schule so etwas gar nicht leisten. „Wenn wir uns nicht an die Vorgaben halten, kann uns die Genehmigung als Ersatzschule entzogen werden“, sagt der Geschäftsführer: „Auch finanziell hängen wir am Tropf des Staates.“

Es brodelt gewaltig

Was er dagegen nicht bestreitet: In der Eltern- und Lehrerschaft der Kirchheimer Waldorfschule brodelt es gewaltig. „90 Prozent der Eltern unterstützen uns in unserem Vorgehen in der Pandemie“, sagt Werner Ehringfeld. Aber es gebe eben auch die Extreme: „Und mit denen schlagen wir uns heftig herum.“ Auf der einen Seite stünden die vehementen Kritiker der Corona-­Maßnahmen, auf der anderen Seite diejenigen, denen sie nicht weit genug gehen. „Die einen drohen mit dem Anwalt, weil die Testungen aus ihrer Sicht das Kindswohl gefährden, die anderen kommen mit dem Gesundheitsamt“, beschreibt der Geschäftsführer das Spannungsfeld. Fest steht für ihn, dass sich die Schule nicht in die eine oder andere Richtung bewegen kann, sondern strikt nach dem Gesetz handeln muss. Die ­Eltern dagegen hätten eine Wahlfreiheit. „Die Schulpflicht ist aufgehoben“, sagt Werner Ehringfeld. Wer nicht mit den Corona-Vorgaben klarkomme, könne sein Kind zu Hause behalten.

Private Lerngruppen gebildet

Bei seinen Nachforschungen ist der Geschäftsführer auf mögliche Hintergründe für die Vorwürfe gestoßen. Ihm ist zu Ohren gekommen, dass sich private Lerngruppen gebildet haben, in denen sich Waldorfschüler treffen. „Wir können uns vorstellen, dass das der Ursprung ist“, sagt Werner Ehring­feld. Einfluss darauf, wie Eltern das Lernen zu Hause in Home­schooling-Phasen oder bei bewusstem Fernbleiben organisieren, habe die Schule aber nicht.

Die Kirchheimer Waldorfschule ist nicht die einzige, in der sprichwörtlich Feuer unterm Dach ist. Deutschlandweit wird von Spannungen zwischen Eltern, Lehrern und Schulleitungen berichtet. Vergangenen Herbst etwa hatten ­Eltern der Leitung der Göppinger Waldorfschule mit Klagen wegen der Maskenpflicht gedroht.

Dass die Konflikte auf das Klientel in den anthroposophisch geprägten Schulen zurückzuführen sind, glaubt Werner Ehringfeld nicht. „Unsere Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft“, behauptet er. Allerdings würden Unstimmigkeiten eher zutage kommen als an staatlichen Schulen. „Wir haben flache Hierarchien“, so Ehringfeld. Auf Engagement und Mitsprache der Eltern werde Wert gelegt. Die Freie Waldorfschule ist als Genossenschaft organisiert und hat keinen Rektor, sondern einen Geschäftsführer und einen ehrenamtlichen Vorstand, dem Eltern und Lehrer angehören.

Kündigung und Rücktritte

Dass die Corona-Maßnahmen unter den Lehrern der ­Schule umstritten sind, weiß Werner Ehring­feld. Ihm ist bereits eine Kündigung ins Haus geflattert. „Als Grund hat die Lehrkraft angegeben, unter den aktuellen Bedingungen nicht unterrichten zu können“, sagt er. Auch einige Vorstandsmitglieder haben ihr Amt aufgrund der Corona-Maßnahmen niedergelegt: „Da hat es schmerzliche Rücktritte gegeben“, bedauert der Geschäftsführer.