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Krimineller Agrokapitalismus

Zum Leserbrief „Die Mär vom bösen Westen“ vom 21. April

Der Leserbrief verbreitet die „Mär vom gleichen Tausch“, er suggeriert nämlich, die Weltwirtschaft sei eine Veranstaltung unter gleichen Partnern. Das aber ist sie gar nicht, vielmehr ist sie von ex­tremer Asymetrie gekennzeichnet: Unter der Dominanz des globalen Nordens agieren Konzerne, deren internationales Handeln an koloniale Strukturen erinnert.

Ein Beispiel: Soja. Deutschland müsste für seinen realen Verbrauch von Soja für Fleisch- und Biokraftstoffproduktion eine Fläche von der Größe Hessens leer räumen und dort nur Soja anbauen. Das wird natürlich nicht gemacht, sondern der Flächenbedarf wird ausgelagert nach Südamerika. In Argentinien zum Beispiel sind bereits zwei Drittel des fruchtbaren Landes in eine „Sojafabrik“ verwandelt. Drei Viertel der jährlichen zweimaligen Sojaernte gehen als Mastfutter für die Massentierhaltung nach USA, Europa und China. Die dortige Fleisch-Überproduktion wird unter anderem nach Afrika exportiert und zerstört dort die heimischen Märkte . . .

Mit der Flächenauslagerung werden aber auch die Probleme dieser landwirtschaftlichen Produktion mit ausgelagert: dauerhafte ökologische Schäden, weil Monokulturen massiven Pestizideinsatz verlangen, Zerstörung ländlicher Lebensformen, Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, massive Landflucht mit katastrophalen Folgen für die Städte, massive Abhängigkeit von Agro- und Chemiekonzernen wie Bayer/Monsanto, Ausbildung von Strukturen eines kriminellen Agrokapitalismus mit Bestechung, Bedrohung und Erpressung. Das hat das jeweilige Land auszubaden, nicht die Verursacher . . . Die Liste lässt sich für andere Produkte und Weltgegenden beliebig fortsetzen.

Die Folgen der Auslagerung bei uns: Die Realität wird aus unseren Köpfen auch ausgelagert, wir sollen und wollen davon nichts wissen. Dass das offenbar funktioniert, zeigt der Leserbrief.

Martin Brost, Dettingen