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Kritik an Belegungsdichte

Unglück Bei zwei Bränden in der Nürtinger Schafstraße kamen zwei Menschen ums Leben – etliche wurden verletzt. Unklar ist wie viele Personen in den Gebäuden offiziell gemeldet waren. Von Uwe Gottwald

Das Feuer im Gebäude in der Schafstraße 2 forderte zwei Tote und mehrere Verletzte. Foto: SDMG / Kohls
Das Feuer im Gebäude in der Schafstraße 2 forderte zwei Tote und mehrere Verletzte. Foto: SDMG / Kohls

Zwei Tote, 18 Gerettete und sechs Verletzte, davon zwei schwerer verletzt - das ist die vorläufige Schreckensbilanz eines verheerenden Brandes in dem Wohnhaus in der Schafstraße 2, zu dem die Feuerwehr vorgestern um 22 Uhr gerufen wurde. Das Gebäude war nach dem Löschen einsturzgefährdet. Beim Kampf gegen die Feuersbrunst wurden auch drei Feuerwehrleute verletzt.

Gestern gegen 14.20 Uhr ging ein erneuert Notruf bei der Feuerwehr ein. Bei dem Rauch aus dem angrenzende Gebäude austrat. Die Rettungskräfte konnten 22 Personen aus dem Haus bringen. Drei Bewohner wurden bei dem Brand in der Schafstraße 4 leicht verletzt. Das Feuer entfachte sich im hinteren Teil des Gebäudes. Einen Zusammenhang mit dem anderen Brand konnten die Polizei nicht bestätigen.

Trotzdem werfen sich jetzt viele Fragen auf. Die Rede ist von prekären Wohnverhältnissen, unklar scheint auch, mit wie vielen Bewohnern das Gebäude in verschiedenen Zeiträumen belegt war.

Die Redaktion der Nürtinger Zeitung erreichte gestern Morgen ein Hinweis, dass in dem Gebäude viele Menschen auf engem Raum und in prekären Verhältnissen gelebt haben sollen. Die Person, die den Hinweis gab, will nicht genannt werden, Name und Kontaktdaten sind der Redaktion jedoch bekannt. Sie selbst habe seit Längerem Kontakt zu jemandem, den sie im Esslinger Berberdorf, einer Einrichtung für obdachlose Menschen, kennengelernt habe und den sie ehrenamtlich unterstütze. Er lebt in dem angrenzenden Gebäude Schafstraße 4. Offenbar gibt es Verbindungen unter den Bewohnern beider Gebäude und auch Verbindungen zu den Mietrechtsverhältnissen. Bis zu jeweils zwanzig Personen sollen in den Gebäuden untergebracht sein, Küchen und sanitäre Anlagen sollen gemeinschaftlich genutzt werden. Viele Mieter seien Bezieher von Wohngeld, so der Hinweis der Person. Sie habe dies bereits früher der Stadt und auch der Polizeibehörde zur Kenntnis gegeben.

Peter Herrle, der Leiter des Nürtinger Ordnungsamts, betont, dass es sich nicht um eine städtische Obdachlosenunterkunft handle. Er bestätigt aber auch: „Die dichte Belegung ist uns bekannt.“ Im Gegensatz zu kommunalen Unterkünften, für die ein Mindestmaß an Quadratmetern Wohnraum pro Person vorgeschrieben sei, gebe es für privatrechtlichen Wohnraum keine Vorgaben. „Wir können nur einschreiten, wenn es ordnungsrechtliche Beanstandungen gibt.“ Das sei bei dem Gebäude Schafstraße 2 auch schon vorgekommen, zum Beispiel wegen ungeordneter Müllablagerungen.

Unklarheit über Bewohneranzahl

Zur Frage, ob eventuell ein Fall von Mietwucher vorliegen könnte, wenn zu viele Bewohner das Gebäude belegen, sagt Herrle, solche mietrechtlichen Dinge müssten vom Mieter selbst angezeigt werden. Überhaupt sei unklar, wie viele Menschen in den Gebäuden überhaupt wohnen. So seien in dem Gebäude Schafstraße 2 auch Bewohner aus dem Gebäude Schafstraße 4 zur Zeit des Brandes in der vorletzten Nacht angetroffen worden. Offenbar gibt es Unstimmigkeiten mit dem Melderecht, nach dem allerdings auch innerhalb bestimmter Fristen unangemeldet Besucher beherbergt werden können. Dass es sich vornehmlich um Menschen mit Migrationshintergrund handle, wie Beobachter berichten, wollte Herrle nicht uneingeschränkt bestätigen. Auf den Listen, die vorlägen, seien auch viele deutsche Namen zu finden.

Parallelen mit Kirchheimer Brand

Nicht nur zwischen den Gebäuden Schafstraße 2 und 4 scheint es Parallelen zu geben. In Kirchheim gab es am 29. August in einem Gebäude mit ähnlicher Belegungsdichte einen Großbrand mit zwei Schwerverletzten. Nach verschiedenen Hinweisen stellt sich die Frage: Handelt es sich beim Kirchheimer Gebäude und bei den Nürtinger Gebäuden um dieselben Wohnungsgeber? Bei der Polizeidirektion Reutlingen hieß es gestern, man könne dazu keine Aussage machen.

Oberbürgermeister Johannes Fridrich sprach allen Rettungskräften seinen Dank aus. Von den vom Brand Betroffenen, die in einem nahe gelegenen Hotel untergebracht worden seien, kehrten in der Zwischenzeit einige wieder zurück in die Schafstraße 4. Sieben Personen bringe man nun in städtischen Obdachlosenunterkünften unter, so Fridrich. Derzeit werde erörtert, wie man über Spendenaufrufe den Betroffenen und den Hinterbliebenen der beiden ums Leben gekommenen Menschen weiterhelfen könne. Vorstellbar wäre ein Fonds, der beim städtischen Verein Gemeinsinn angesiedelt ist.