Unzugeordnete Artikel

Loch Ness in den Baggerseen?

Zum Artikel „Fischen für die Artenvielfalt“ vom 2. September

Der Schrecken kommt aus der Tiefe - mannsgroß und im biblischen Alter, mit weit aufgerissenem Maul, an dem gruselige Barteln baumeln. Was vor das Maul kommt, wird verschlungen. Basta! Liest man den Artikel, dann ist offensichtlich das Ungeheuer von Loch Ness in den Wernauer Baggerseen aufgetaucht, diesmal in Gestalt des Welses, der im Alpenländischen den Volksglauben stark beschäftigte. Rette sich also, wer kann! Als Retter empfiehlt sich der Nabu Nürtingen. Dessen Vorstandsmitglied Wolf Rühle führt heftig Klage über ein lückenhaftes Vorkommen von Wasservögeln auf den Seen des Naturschutzgebiets. Und der Vogelfreund hat auch gleich den gefräßigen Frevler an der gefiederten Artenvielfalt ausgemacht: den Wels.

Nun kann nicht bestritten werden, dass Welse in entsprechender Größe mal ein Entenküken oder ein Blesshuhn nach unten ziehen, eigentlich schade, dass ihnen das beim Kormoran nicht gelingt. So, wie es eben fischfressende Vögel gibt, gibt’s halt auch vogelfressende Fische. Aber warum tun sie das? Die Erklärung sitzt in Koloniestärke auf den Bäumen und schätzt das Angebot vor der Haustür. Etwa 120 Kormorane leben ganzjährig im Wernauer Bereich und fischen. Im Winterhalbjahr noch kommen rund 200 Vögel hinzu. Jeder vertilgt pro Jahr 180 Kilo Fisch, übertragen auf den Ertrag der Wernauer Baggerseen heißt das, dass die Nahrungsbasis für ein Dutzend Kormorane reicht. Da kann sich jeder ausrechnen, dass für Fische, die sich von Fischen ernähren, nicht viel übrig bleibt. Folglich muss notgedrungen auch der Wels gucken, wo er bleibt.

Die Welse und andere Raubfische als alleinige Verursacher an den Pranger zu stellen, heißt Ursache und (Aus-)Wirkungen zu verdrehen. Die Angler verlangen seit Jahren eine stärkere Regulierung der Kormoranbestände. Die Erfahrung lehrt, dass Sonderregelungen und Ausnahmen vom grundsätzlichen Schutzstatus der Vögel bisher nicht greifen. Über allen Detailfragen sollte aber der Grundsatz stehen, dass der Artenschutz unteilbar ist. Gefiederte und geschuppte Lebewesen gegeneinander auszuspielen, hilft da bestimmt nicht weiter!

Günter Richter, Vorsitzender des Fischervereins Wendlingen