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Man lernt fürs Leben

Serie „Schule“, Folge 3

Eigentlich hätte der Grundschullehrer Klugmann mit seiner roten Schnupfen-Nase zu Hause bleiben müssen, aber der Schulanfang und der Lehrermangel duldeten keine Schwäche. Schon gar nicht, wenn es sich die Grippe überall im Städtchen bequem gemacht hatte. Aber der erste Schultag würde ja nicht lange dauern. „Liebe Kinder“, röchelte Herr Klugmann, „jetzt beginnt für euch das Schulleben und, sicherlich wisst ihr das schon, ihr lernt fürs Leben. Wenn ihr fleißig lernt, dann könnt ihr später mal Arzt oder Apotheker werden oder auch Polizist oder Feuerwehrmann - natürlich auch die Mädchen.“ Nach einem beeindruckenden Niesanfall setzte er seine Weissagungen fort und öffnete dann, vom Schüttelfrost gebeutelt, die Tür, um sich von den Kleinen bis morgen zu verabschieden.

Mit roter Nase und heftig niesend trafen kurz darauf die Zwillinge Maxel und Bärbel wieder zu Hause ein. Sofort eilte Mutti mit ihnen zum Arzt, welcher die beiden, seinerseits von Niesanfällen geschüttelt, untersuchte.

„Aber Onkel Doktor, warum hast du eine so rote Nase?“, fragten die Kinder.

„Weil ich erkältet bin.“

„Aber Onkel Doktor, du bist doch Doktor. Wieso wirst Du dann krank?“

Dieser stellte ein Rezept aus und sprach: „Ja, wisst ihr, das ist wie beim Polizist Maier, dem wurde auch das Auto geklaut.“

Der Herr Apotheker studierte das Rezept mit entzündeten Augen und kämpfte mit seiner Tropfnase.

„Aber Onkel Apotheker, warum hast du eine so rote Nase? Du hast doch all die Medizin!“

„Ich bin erkältet“, hüstelte dieser. „Wisst ihr, das ist wie beim Feuerwehrmann Huber, dessen Haus hat ja auch gebrannt.“

Am folgenden Tag versammelten sich die Schulanfänger mit roten Nasen wieder um den prustenden Herrn Lehrer, und die Zwillinge ergriffen sofort das Wort:

„Wir wollen nicht Doktor oder Apotheker oder Polizist oder Feuerwehrmann oder -frau werden. Das ist nämlich für die Katz!“

„Soso - und warum ist das für die Katz?“

„Der Doktor und der Apotheker haben rote Nasen. Dem Polizist Maier wurde das Auto geklaut, und beim Feuerwehrmann Huber hat das Haus gebrannt.“

„Ja, wisst ihr“, sprach da der Herr Klugmann, „das ist wie bei mir zu Hause. Mir bleibt auch nichts, außer der roten Nase. Ihr werdet später einmal den Herrn Fröhlich kennenlernen. Der ist Sozialkundelehrer und der wird euch anhand einer sogenannten Steuertabelle erklären, dass ihr euch eine Grippe, ein Auto oder ein Haus, welches vielleicht abbrennt, kaum noch leisten könnt.“ Die Färbung der Wangen des Lehrers wurde intensiver, denn zur Schnupfenröte gesellte sich nun die Zornesröte und er stöhnte. „Jetzt fangen wir mit dem Rechnen an. Die wichtigste Rechenart ist das Abziehen oder, vornehm ausgedrückt, die Subtraktion, weil es immer darauf ankommt, was am Ende übrig bleibt.“ Sprach’s und trompetete einen erneuten Niesanfall vorschriftsmäßig in die Armbeuge. Text: Gunter R. Schwäble