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Merkwürdiger Demokrat

Zum Ausgang des Bürgerentscheids Hungerberg

Nachdem sich fast zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler für den Erhalt des Hungerbergs ausgesprochen haben, sollten alle die Botschaft verstanden haben und künftig die Bürgerschaft früher einbinden und überzeugen. Thomas Bopp, Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart, sieht das anders: Die Bürgerinnen und Bürger in Dettingen haben falsch entschieden. Solche Abstimmungen könnten nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Seine Schlussfolgerung: „Ein Grundproblem ist, dass bei solchen Bürgerentscheiden, bei denen es um die Verwirklichung regionaler Interessen gehe, immer nur die direkt Betroffenen vor Ort mitentscheiden dürfen.“

Wer sonst sollte vor Ort entscheiden, wenn nicht die Bürgerinnen und Bürger vor Ort selbst? Thomas Bopp spricht den Bürgern die Vernunft und Kompetenz ab, für ihre Zukunft zu entscheiden: „Wenn man die Betroffenen entscheiden lässt, stoßen wir . . . auf Widerstand. Die Gefahr eines Stillstands ist groß.“ Deswegen plädiert er für eine „Stärkung der regionalen Planungskompetenzen“, sprich für die Reduzierung der Mitsprachrechte der direkt Betroffenen.

Da offenbart Herr Bopp ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Ich bin froh, dass wir in den Kommunen noch Rechte haben. Hoffentlich gibt es ausreichend verantwortungsvolle Landtagsabgeordnete, die seinem Ansinnen einen Riegel vorschieben. Seine Überlegungen nehmen den Bürgern den letzten Rest an Vertrauen in die Politik. Angesichts der allgemeinen Politikverdrossenheit finde ich es gut, dass so viele Menschen aus Dettingen sich am Bürgerentscheid beteiligt haben. Wir brauchen keine einsamen Entscheidungen über die Köpfe der Menschen hinweg. Wenn die Zukunft mit allen und für alle fair gestaltet werden soll, ist mehr Mitsprache der Betroffenen vor Ort unerlässlich.

Heinrich Brinker, Stadtrat Die Linke, Kirchheim