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Mit Haaren ein Glücksgefühl schenken

Gesundheit Die elfjährige Jana Diessner aus Wendlingen hat sich ihre Haarpracht abschneiden lassen. Nun will sie die einem kranken Kind spenden. Von Gaby Kiedaisch

Vorher, nachher: Mindestens 30 Zentimeter müssen die Haare lang sein. Das hat Jana Diessner geschafft.
Vorher, nachher: Mindestens 30 Zentimeter müssen die Haare lang sein. Das hat Jana Diessner geschafft.

Was treibt ein Mädchen mit elf Jahren an, ihre jahrelang gehegte und gepflegte Haarpracht plötzlich abschneiden zu lassen? Was auf den ersten Blick scheinbar belanglos klingt, hat tatsächlich einen ernsten Hintergrund.

Die Wendlingerin Jana Diessner war fünf oder sechs Jahre jung, so genau weiß sie das heute nicht mehr, als sie sich dazu entschloss: Ab heute lasse ich meine Haare ganz lang wachsen. Ein Entschluss, den viele Mädchen irgendwann mal fassen und eigentlich nicht weiter erwähnenswert wäre. Bei Jana war das jedoch anders: Ein Fernsehbericht über ein krankes Kind, dessen Haare während der Chemo-Behandlung ausgefallen waren, habe sie damals tief berührt. Schon auf dem Weg der Besserung habe eine Perücke aus gespendeten echten Haaren das Glück des Kindes perfekt gemacht. Das war es! Das wollte auch sie: Ihre Haare spenden, um ein Kind ohne Haare glücklich zu machen.

„Dieses Ziel hat Jana bis heute verfolgt“, sagt Birgit Diessner, Janas Mutter - gut sechs Jahre lang. Warum hat sie nicht schon früher die Haare abschneiden lassen? „Es müssen mindestens 30 Zentimeter sein, besser sind 35 bis 40 Zentimeter oder mehr“, erklärt die Elfjährige. Für die Fertigung und den Schnitt der Perücke gehen noch weitere Zentimeter verloren, das muss bei der Länge eingerechnet werden. Jede Perücke wird in Handarbeit gefertigt. Dabei muss jedes einzelne Haar in ein Gewebe gezogen und verknotet werden. Gut einen Monat braucht man für jede einzelne Echthaar-Perücke.

Sechs Jahre nicht beim Friseur

Bei Perücken denkt man eigentlich nicht zuerst an Kinder. Doch auch sie können durch Krankheiten wie Alopecia, also Haarausfall, oder durch eine Chemotherapie bei einer Krebserkrankung die Haare verlieren. Mit dem Zweithaar erlangen die Kinder wieder mehr Lebensqualität. Jana kann sich in die Betroffenen gut hineinfühlen. „Ich möchte nicht, dass es gemobbt wird, weil es keine Haare hat.“ Mit der Haarspende möchte sie dem Kind Mut machen, es dabei unterstützen, durchzuhalten.

Durchhaltevermögen hat auch Jana bewiesen. Der Wunsch zu helfen schwang in ihrem jungen Leben in den vergangenen Jahren immer mit. Mit jedem weiteren Zentimeter, den ihre Haare länger wurden, kam die Schülerin der Johannes-Kepler-Realschule ihrem Ziel ein Stückchen näher. Deshalb war das Schneiden der Haarspitzen immer wieder ein heikles Thema, sagt Birgit Diessner. Die Haare sollten ja einerseits gesund bleiben und mussten deshalb von Zeit zu Zeit gekürzt werden. Das war auch Jana klar. Andererseits entfernte sie sich mit jedem abgeschnittenen Zentimeter wieder von ihrem Ziel.

Eigentlich wollte Jana die Haare schon früher spenden. Doch wegen der geschlossenen Friseure während des Lockdowns verzögerte sich alles. Für die Haarlänge war die Wartezeit förderlich, denn so wuchsen ihre Haare fünf Zentimeter. Der Termin beim Friseur rückte immer näher. Am Anfang der großen Ferien war es dann endlich so weit. Immerhin war sie seit sechs Jahren nicht mehr beim Friseur gewesen, deshalb sei sie schon etwas aufgeregt gewesen. Doch alles ging gut. Die Friseurin hatte sich vorher informiert, wie die Haare abgeschnitten werden müssen, damit sie später für eine Perücke überhaupt verwendet werden können. Viel Lob habe sie auch von Kundinnen erhalten, die von ihrem Vorhaben begeistert waren. „Cool“ findet auch ihre große Schwester Lena ihr Engagement, und auch ihre beste Freundin Alina habe sie in ihrem Tun bestärkt, freut sich Jana. Über ihre verloren gegangene Haarpracht sagt die Elfjährige: „Haare schneiden tut nicht weh und man kann Gutes tun.“

Wohin mit der Haarspende?

Bei der Suche nach einer Organisation, die die Haarspende in Em­pfang nimmt und dem gewünschten Zweck zuführt, taten sich Jana und ihre Mutter allerdings schwer. „Das war gar nicht so einfach“, sagt Birgit Diessner. Da es in Deutschland keine Institution gibt, die die Haarspende speziell für Kinder garantiert, kam sie über Umwege auf den gemeinnützigen Verein „Die Haarspender“. Dessen Sitz ist in Österreich. Dorthin werden die Haare nun geschickt. Der Verein arbeitet mit Firmen zusammen, die auf Perücken spezialisiert sind. Er garantiert die Weitergabe des neuen Haarschmucks an die betroffenen Kinder - auch in Deutschland. Es können auch alte Zöpfe eingeschickt werden.

Einen Wunsch hat Jana noch: Sie würde den jungen Träger beziehungsweise die junge Trägerin ihrer Haare kennenlernen. Dafür schickt sie mit ihren vier abgeschnittenen Zöpfen an den Verein einen Brief an das unbekannte Kind mit. Ob sich dieser Wunsch erfüllen lässt, das wird sich zeigen. Aber ausgeschlossen ist es nicht.

Info www.diehaarspender.at: Der Verein aus Österreich lässt Perücken aus Haarspenden fertigen und finanziert die Herstellung mit Spenden. Für die Kinder sind die Perücken kostenlos. Informationen gibt es auch hier: www.krebshilfe.de/blog/haare-spenden/