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Mitangeklagter belastet Haupttäter

Messerattacke Opfer schildert am zweiten Prozesstag unter Tränen den brutalen Angriff.

Nürtingen. Am zweiten Verhandlungstag, an dem sich fünf Jugendliche unter dem Vorwurf des versuchten Mordes beziehungsweise Beihilfe vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten müssen, belastete ein Mitangeklagter den Hauptangeklagten schwer. Er habe den Messerstich gesehen.

Anfang Juli vergangenen Jahres hatten die Jugendlichen das 27-jährige Opfer in Nürtingen attackiert. Dabei wurde ihm ein lebensbedrohlicher Messerstich zugefügt. Der Verletzte wurde in der Klinik notoperiert. Ausgeführt haben soll den Stich der Älteste: Der 19-Jährige habe zuvor einen mitangeklagten 16-Jährigen aufgefordert, ihm sein Messer auszuhändigen.

Am ersten Verhandlungstag war nur einer der Gruppe bereit, Aussagen zur Sache zu machen. Demnach habe er den Messerstich nicht gesehen, es sei aber danach in der Gruppe darüber gesprochen worden, dass ihn der 19-Jährige ausgeführt haben soll. Am zweiten Verhandlungstag sagte ein weiterer Mitangeklagter aus. Die Gruppe habe dem Opfer, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Nürtinger Hurensöhne“ trug, dieses entreißen wollen. Dazu sei man ihm vom Supermarkt Kaufland durch die Stadt gefolgt. Er habe dann gesehen, wie der 19-Jährige dem Opfer einen Stich zugefügt habe, so die Aussage des weiteren Angeklagten.

Das Opfer wurde auf Antrag der Nebenklage in einer Bildschirmkonferenz befragt, weil das Opfer nicht im Gerichtssaal auf die Angeklagten treffen wollte. Er befand sich in einem Nebenraum. Er sei am Tattag von Stuttgart im Zug von der Arbeit nach Nürtingen gekommen. Im Kaufland habe er eingekauft, auf der Toilette seien zwei Jugendliche dazugekommen, durch die offene Tür habe er drei weitere wahrgenommen. Das sei ihm zwar etwas komisch vorgekommen, er habe sich aber nichts weiter dabei gedacht. Auch habe er nicht bemerkt, wie ihm die Gruppe durch die Stadt gefolgt sei. Mit seinem Skateboard und den Einkäufen sei er den Kührain hinuntergefahren, als er unvermittelt einen starken Schlag im Rücken gespürt habe und dann sehr benommen gewesen sei. An dieser Stelle brach das Opfer erstmals in Tränen aus. Im weiteren Verlauf seien mehrere Jugendliche um ihn herum gewesen, er sei mit Schlägen und Tritten traktiert worden. Das habe eine ganze Weile gedauert. Irgendwie habe er sich auf die Beine bringen und eine Autofahrerin um Hilfe bitten können. Die brachte ihn ins Krankenhaus, wo er erfuhr, dass ihm in den Rücken gestochen wurde.

Die Richterin schilderte die Folgen der Attacke. Neben dem lebensbedrohlichen Stich habe das Opfer einen Nasenbeinbruch, einen Rippenbruch und zahlreiche Prellungen erlitten, leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Panikattacken und einer mittelgradigen Depression.

Opfer hatte Todesangst

Er habe Angst gehabt, umgebracht zu werden, so das Opfer, wieder unter Tränen. Er befinde sich noch in therapeutischer Behandlung und habe seitdem seine Tätigkeit als Bühnenmaler am Staatstheater nicht ausüben können. Taubheitsgefühle im Rückenbereich, auch Nackenschmerzen stellten sich immer noch ein, er sei krank geschrieben. Menschenmengen und vor allem Gruppen von Jugendlichen meide er, öffentliche Verkehrsmittel könne er nicht benutzen, auch einkaufen falle ihm schwer.

Bis zum nächsten Verhandlungstag sollen Fotos von den Örtlichkeiten gemacht werden, damit die Prozessbeteiligten den Angriff besser nachvollziehen können. Uwe Gottwald