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Mut zu Experimenten wird belohnt

Städtebau Die Architektenkammer Baden-Württemberg zeichnet im Landkreis gelungene Gebäude aus. Lob gibt es auch für Flüchtlingsunterkünfte. Von Harald Flößer

Das preisgekrönte Haus in der Kirchheimer Turmstraße. Foto: Markus Brändli
Das preisgekrönte Haus in der Kirchheimer Turmstraße. Foto: Markus Brändli

Quadratisch, praktisch, gut - das fällt einem beim Blick auf das architektonische Einerlei ein, das allerorten Siedlungen und Ortskerne prägt. Aber es geht auch anders: Das zeigt der von der Architektenkammer ausgeschriebene Wettbewerb „Beispielhaftes Bauen“.

Von 2012 bis heute sind im Kreis viele Objekte entstanden, die wohltuend aus der Reihe fallen und zeigen, dass qualitätvolles Bauen nicht unbedingt teuer ist. 88 Arbeiten sind eingereicht worden. Alle von hohem Niveau, wie Adrian Hochstrasser, Freier Architekt und Vorsitzender der siebenköpfigen Jury, bei der Präsentation im Landratsamt betonte. Sieger wurden nicht gekürt, alle seien gleichberechtigt, so das Jury-Urteil.

Bedauert habe die Jury, dass kaum Arbeiten aus dem Geschosswohnungsbau eingereicht wurden, berichtete Hochstrasser. Auf diesem Gebiet aktiver zu werden, sei eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Bei Landrat und Schirmherr Heinz Eininger rannte er damit offene Türen ein. In den nächsten zehn Jahren würden 6 000 zusätzliche Wohnungen benötigt, die sich auch Menschen mit kleinerem Geldbeutel leisten können, so Eininger. Tatsächlich entstünden derzeit jedes Jahr nur 300 bis 400 solcher Wohnungen. Als weiteres Problem sieht der Landrat den Fachkräftemangel. Um gute Architektur umzusetzen, brauche es gute Handwerker. Die rekrutiere man zunehmend aus dem europäischen Ausland, berichtete Carmen Mundorff, Pressesprecherin der Architektenkammer. Anliegen des Wettbewerbs sei, „alltägliches Bauen aus seinem Schattendasein herauszuholen“.

Landrat Eininger sieht in den ausgezeichneten Arbeiten auch einen Beleg dafür, „dass gute Architektur und preiswertes Bauen keine Gegensätze sind“. Bei vielen Entscheidungen habe man hart gerungen. Zum Beispiel beim Festo-Turm in Esslingen. Das Gebäude sei zwar ein Unikat, doch trotz der Solitärstellung sei es für diesen Standort eine angemessene Antwort und damit beispielhaft.

Als „wohltuende und formal überzeugende Antwort auf die übliche Containerbauweise für Geflüchtete“ und gelungenes Beispiel für integratives Wohnen von Flüchtlingen und Einheimischen wurde das Hoffnungshaus in der Flandernstraße in Esslingen gelobt. Ähnlich positiv sehen die Juroren die Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge in der Maybachstraße in Nellingen und die Obdachlosenunterkunft in Ruit. Bei den Kindergärten habe das Haus für Kinder in Kemnat überzeugt, weil es gut in die Topografie eingepasst sei.

Als Beispiel für „Industriekultur, die einen nicht anschreit“ wurde die Logistik- und Produktionshalle von Wolff & Müller Holzwerke in Denkendorf bewertet. Voll des Lobes war man für das neue Verwaltungsgebäude der Kreissparkasse in Esslingen. Der Panoramaweg in der Parksiedlung stellt das Neckartal ins Rampenlicht. „Eigentlich banal“, so der Jury-Chef. „Aber wir wollten Mut machen, damit so etwas öfter umgesetzt wird.“

Der Wettbewerb und die ausgezeichneten Arbeiten

88 Objekte wurden für den Wettbewerb „Beispielhaftes Bauen Landkreis Esslingen 2012 - 2018“ vorgeschlagen. Untergliedert sind sie in die Bereiche Wohnen (32 Arbeiten), Bauen im Bestand (22), öffentliche Bauten (17), Industrie- und Gewerbebau (12), Garten- und Landschaftsanlagen (2), Innenraumgestaltungen (2) und Städtebauliche Projekte (1).

Bewertungskriterien: Eine Fachjury bewertete die Arbeiten nach folgenden Kriterien: 1. Äußere Gestaltung/Maß und Proportion des Baukörpers. 2. Innere Raumbildung/Zuordnung der Räume und Zweckmäßigkeit. 3. Angemessenheit der Mittel und Materialien/konstruktive Ehrlichkeit. ­4. Einfügung und Umgang mit dem städtebaulichen Kontext und der Umwelt.

Ausgezeichnet wurden 22 Projekte: Wohnhaus am Albtrauf in Neuffen; Wohn- und Geschäftshaus, Turmstraße 12 in Kirchheim; Hoffnungshaus - integratives Wohnen von Geflüchteten und Einheimischen, Flandernstraße 148 in Esslingen; Autarkes Generationenhaus in Esslingen; Wohnhaus in Nürtingen; Haus SO - tiny house für Senioren in Esslingen; Einfamilienhaus S-34 in Esslingen; Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge, Maybachstraße 116 in Ostfildern; Unterkunft für Flüchtlinge und Obdachlose, Kirchheimer Straße 117 in Ostfildern; Kulturbaracke Zinsholz, Kirchheimer Straße 123 in Ostfildern; Laborgebäude und Versuchshalle, Hochschule Esslingen; Kinderhaus Kindeum, Schulstraße 35 in Unterensingen; Haus für Kinder, Waldstraße 47 in Ostfildern; Gästehaus Hotel Schwanen in Köngen; Festo Automation Center in Esslingen; Neubau Logistik- und Produktionshalle Wolff & Müller Holzwerke, Körschtalstraße 100 in Denkendorf; Verwaltungsgebäude der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, Vogelsangstraße 2 in Esslingen; Sanierung Gemeindehaus St. Maria Hilfe der Christen, Schillerstraße 6 in Aichtal-Grötzingen; Büro- und Apartmentgebäude - Umbau ehemaliges Studentenwohnheim, Berliner Straße 29 in Esslingen; evang. Gemeindehaus Johanneskirche, Neubau und Instandsetzung, Neckarstraße 84 in Esslingen; Panoramaweg, Breslauer Straße in Ostfildern; evang. Kirche Harthausen, Sanierung, Umbau und optische Öffnung des Foyers, Harthäuser Hauptstraße 2 in Filderstadt.