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Nach wie vor „unterwegs mit Klaus“

Buchvorstellung Brigitte Holighaus hat ihre Erinnerungen an das gemeinsame Leben mit ihrem Mann Klaus, dem erfolgreichen Unternehmer, Konstrukteur und Segelflieger, jetzt als Buch veröffentlicht. Von Andreas Volz

Brigitte und Tilo Holighaus präsentieren in einer Fertigungshalle das neue Buch „Wagen XX - fünf Minuten“.    Foto: Carsten Ried
Brigitte und Tilo Holighaus präsentieren in einer Fertigungshalle das neue Buch „Wagen XX - fünf Minuten“.    Foto: Carsten Riedl

Es war der übliche Funkspruch, wenn Klaus Holighaus zur Landung ansetzte: „Wagen XX - fünf Minuten“. „XX“ war sein Flugzeug, der „Wagen“ war seine Bodenmannschaft und die fünf Minuten waren die Zeit bis zur Landung. Am 9. August 1994 aber blieb dieser Funkspruch aus. Brigitte Holighaus wartete vergebens darauf, dass ihr Mann sich melden würde. Dabei gab es auch solche Situationen immer wieder. Als GPS und Mobiltelefone noch Zukunftsmusik waren, kam es nach einer Außenlandung öfters vor, dass der Pilot erst einen Weg zurück in die „Zivilisation“ finden musste, um zu telefonieren. Das „Bodenpersonal“ konnte nichts anderes tun, als auf diesen Anruf zu warten.

Die dramatische Situation des vergeblichen Wartens beschreibt Brigitte Holighaus in ihrem Buch mit dem Titel „Wagen XX - fünf Minuten“, Untertitel „Unterwegs mit Klaus“. Das Buch beschreibt auch die folgenden zwei Tage, denn die Suche der Schweizer Rettungsflugwacht dauerte bis zum Nachmittag des 11. August. Dann kam die Nachricht, dass das Flugzeug unterhalb des Rheinwaldhorn-Gipfels gefunden und der Pilot tot geborgen worden war. Das Buch endet mit der Beschreibung der Trauerfeier am 18. August. Innerhalb weniger Tage war das Leben der Familie auf den Kopf gestellt, denn das Haupt der Familie war plötzlich nicht mehr da.

Im Buch geht es aber nicht nur um den Tod, sondern um die 54 Jahre Leben vor diesem Tod. Die meiste Zeit davon haben Klaus und Brigitte Holighaus gemeinsam verbracht. Sie kannten sich aus ihrem Heimatort Eibelshausen in Hessen. Das gemeinsame  

„Klaus war kein Hasardeur. Wenn er ein Risiko einging, war das wohlkalkuliert.

Brigitte Holighaus

über die fliegerische Mentalität ihres tödlich verunglückten Mannes

Leben begann bereits 1958, und es hatte sogar schon mit dem Fliegen zu tun - wenn auch vorerst noch mit dem Modellflug. Klaus Holighaus hatte es bereits in jungen Jahren zu beachtlichen Fertigkeiten im Bauen von Modellflugzeugen und Fernsteuerungen gebracht. Eine Deutsche Meisterschaft hat er sich dabei „erflogen“, Rekordflüge und hohe Auszeichnungen gehörten ebenfalls dazu.

„Ich durfte ihm dabei zuschauen und war von seinen Fähigkeiten beeindruckt“, schreibt Brigitte Holighaus. Auch im Gespräch über das Buch erwähnt sie das: „Schon als Gymnasiastin bin ich da oft mitgegangen zum Modellfliegen. Ich fand das toll.“ Spontan ergänzt ihr Sohn Tilo, dass das bei ihm 30 Jahre später ganz anders war. Wie einst sein Vater, hat auch er mit dem Modellflug begonnen: „Aber bei mir sind die Mädels nie mitgegangen zum Modellfliegen.“

Ebenfalls zu Gymnasialzeiten hat Klaus Holighaus kennengelernt, was sein Leben und das seiner Familie bis heute prägen sollte: den Segelflug. Während des Maschinenbaustudiums an der TU Darmstadt war er Mitglied in der Akademischen Fliegergruppe. Er war auch bereits an der Konstruktion von Segelflugzeugen beteiligt. Als Konstrukteur holte ihn Martin Schempp nach Kirchheim. Später übernahm er die Firma Schempp-Hirth und war als Unternehmer ebenso erfolgreich wie als Konstrukteur und Segelflugsportler. Er war immerhin dreifacher Europameister.

Klaus Holighaus hat über seine Erlebnisse auch immer wieder geschrieben, mit einem hohen Reflexionsgrad. Viele dieser Aufsätze bereichern das Buch, bei dem es sich somit eigentlich um ein gemeinsames Werk von Klaus und Brigitte Holighaus handelt. Unter anderem beschrieb Klaus Holighaus immer wieder seine Ungeduld, wenn es darum ging, ein frisch fertiggestelltes Modellflugzeug sofort auszuprobieren - auch noch in der Abenddämmerung. Die Freude über das neue Modell währte deshalb oft nur kurz.

Und schon ist man als Leser wieder bei der Frage nach dem tödlichen Unfall und nach den Ursachen. Auch für die Familie ist das immer noch ein wichtiges Thema, auch wenn allen klar ist, dass sich das letzte Körnchen Wahrheit nicht mehr finden lässt. „Es ist passiert“, sagt Brigitte Holighaus mit einem gewissen Fatalismus. „Da macht sich jeder seine eigenen Gedanken“, meint ihr Sohn Tilo. Sie haben beide das Wrack gesehen. „Oben war die Scharte. Da wollte er durch.“ Warum der linke Flügel den Fels berührte - keiner weiß es. Im Buch wie im Gespräch geht es um die Theorie, dass sich zwei Schwierigkeiten gleichzeitig noch bewältigen lassen. Sobald aber etwas Drittes hinzukommt, wird es problematisch. „Da muss noch etwas gewesen sein, aber wir wissen nicht, was es war“, sagt Tilo Holighaus.

„Er wollte möglichst schnell zurückfliegen, er wollte nach Hause“, habe ihr ein Fliegerfreund damals gesagt, erinnert sich Brigitte Holighaus, und sie ist überzeugt: „Das war so. Wir wollten am Abend noch gemeinsam einen Wein austrinken.“ Auch weitreichendere Zukunftspläne gab es: Sohn Tilo hätte die Firma bald übernehmen sollen. Nun musste er von einem Tag auf den anderen einspringen, mit gerade einmal 25 Jahren. Heute fungiert er gemeinsam mit seinem Bruder Ralf als Geschäftsführer. Auch Brigitte Holighaus war lange in der Geschäftsleitung aktiv.

Ein Album für die Fliegerfamilie

Schempp-Hirth ist ein Familienbetrieb, und auch die Mitarbeiter sind so etwas eine Betriebsfamilie. Dasselbe gilt weltweit für die Segelflieger: Sie sind eine einzige große Fliegerfamilie. Insofern ist das aktuelle Buch auch eine Art Familienalbum, mit persönlichen Berichten und vielen Fotos. Den Lesern bringt es den Menschen Klaus Holighaus näher. Die Familie spürt diese Nähe noch immer: „Für mich ist er jeden Tag präsent, und auch die Enkelkinder, die ihn gar nicht kannten, leben mit ihm“, sagt Brigitte Holighaus. Der Untertitel ihres Buchs ist also sehr aussagekräftig: Nach wie vor ist sie „unterwegs mit Klaus“.

Klaus Holighaus auf der Hahnweide.  Archiv-Foto: pr
Klaus Holighaus auf der Hahnweide.  Archiv-Foto: pr
Brigitte und Tilo Holighaus wg. Buch über Klaus Holighaus
Brigitte und Tilo Holighaus wg. Buch über Klaus Holighaus