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Nur umdenken?

Zum Kommentar „Höchste Zeit umzudenken“ vom 25. August

Fast jedes Problemdenken mit Tiefe führt unweigerlich in das Gefühl, die „befreite“, demokratisierte Menschheit stecke in einer unlenkbaren Wirtschaftslawine, jeder von uns ein Teil davon. Das System lässt definitiv uns alle mitspielen, in der Regel aber nur als Hintermannschaft, Wasserträger, deren Zugriffsmöglichkeiten rein auf Verteilung beschränkt sind. Persönlichkeitsgefühle sind historisch verändert. Viele von uns finden sich kulturell christlich, ohne noch ansatzweise nacherleben zu können, wie Europäer im funktionierenden Christentum des Mittelalters empfanden, dass sie ein ganz anderes Seelenleben hatten (Egon Friedell, Kulturgeschichte . . .). Ihr Jenseitsbezug machte Kräfte frei für Ehrgefühl in Bescheidenheit und körperlichen Mühen. Ihrem Selbstverständnis waren unpersönliche Wirtschaftsbeziehungen fremd. Wir sind entwurzelt als Erzeuger, ebenso als genießende Pharisäer.

Im Wohnzimmer meiner Patentante, geboren etwa 1900, „Kuhstalldirektorin“ ihrer Cousine, roch es vernehmlich nach Tier. Als Gegenteil heutiger Schönheitsideale strahlte sie menschliche Wärme aus, konnte dabei zur Arbeit antreiben, ohne dass es auch nur ein bisschen wehtat. Was heute als unerträglich gälte, baute mich als Junge auf, ganz von selbst, unvergessen.

Idealistisch verstehbare Land-Essays heute sind von akademischem Selbstbewusstsein getragen. Klar, Wissen und forschen schadet nicht! Dazu Simone Dürmuths kritische Darstellung von Landwirtschaftssubventionen und Umweltschäden durch Massenproduktion, mit Hinweis „weltweit“. Bei Kapitaleinsatz muss Wachstum sein, auch in der Landwirtschaft führt das global zu Entwurzelung. Wohin geht die Reise? Würde wahlkreisgebundene Abgeordnetenhaftung für Kulturland Zuständigkeiten ins demokratische Aus verlagern, ins Tabu?

Karl Dannenhauer, Weilheim