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Ökologie und Ökonomie nicht zwangsläufig Gegensätze

Infrastruktur Andreas Kenner (SPD) und Natalie Pfau-Weller (CDU) plädieren vorsichtig für den Vorhaltestandort Hungerberg. Andreas Schwarz (Grüne) fordert Neutralität der Landespolitik. Von B. Lütz-Holoch und T. Zapp

Andreas Schwarz
Andreas Schwarz

Bebauen oder nicht? Der Hungerberg an der Gemarkungsgrenze zwischen Kirchheim und Dettingen erhitzt weiter die Gemüter. Die Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Nathalie Pfau-Weller befürwortet unter bestimmten Bedingungen eine Bebauung des regionalen Vorhaltestandortes. „Uns allen liegt der Klimaschutz am Herzen, und wir wollen innovative Unternehmen, die Zukunftstechnologien fördern. Diese sorgen für Arbeitsplätze und durch Unternehmen vor Ort können lange Fahrten zum Arbeitsort vermieden werden.“ Dass die Fläche versiegelt und Böden für Landwirtschaft verloren gingen, könne man durch die Einsparung von C02-Emissionen kompensieren, meint die junge CDU-Abgeordnete. Ihr Argument: Nur innovative Unternehmen dürften sich dort ansiedeln, etwa ein Produzent von Brennstoffzellen. Dann müsste eine Bebauung so gestaltet sein, dass ein möglichst geringer Eingriff in die Natur und in die Kaltluftschneise erfolgt und nachhaltige Bauten sowie viele Grünflächen entstehen. Außerdem müsste die Verkehrsanbindung gut gelöst werden, damit die Nachbar-Kommunen keine zusätzlichen Belastungen erfahren. Was den Flächenfraß betrifft, schränkt sie ein: „Es gibt drei potenzielle Standorte um Kirchheim herum, die für innovative Unternehmen geeignet sind: Hungerberg, Bohnau Süd und Weilheim. Nicht alle drei sollten nicht bebaut werden.“

Auch der Landtagskollege aus der SPD-Opposition, Andreas Kenner, sieht eher Probleme, wenn nicht gebaut wird: „Egal mit wem ich darüber spreche: IHK, Handwerkskammer, Unternehmen oder Gewerkschaften, alle betonen seit Jahren, dass es hier bei uns in der Region an genügend geeigneten Flächen für neue, innovative Industriestandorte fehlt. Das führt dann zu Abwanderungen in andere Regionen oder gar ins Ausland.“ Kenner verweist auf die Qualität der geplanten Ansiedlung, die überhaupt erst Voraussetzung für eine Genehmigung wäre. „Für unsere Kinder und Enkelkinder ist es sehr wohl eine bedeutsame Frage, ob es für sie auch in Zukunft hier bei uns attraktive Ausbildungs- und Arbeitsplätze gibt, oder ob sie den Firmen, die aus Mangel an Perspektive ihre Produktion verlagert haben, folgen müssen. Für alle Verantwortlichen steht fest, dass es am Hungerberg nur zur Ansiedlung hochwertiger Zukunftsindustrien kommen darf“, sagt er. Dabei denkt er vor allem an klimaschonende Produkte. „Wer sagt, dass die Industrie ihren Flächenbedarf ja auch in den neuen Bundesländern oder im Ausland decken kann, handelt unverantwortlich und schützt dabei keineswegs in irgendeiner Form das Klima, weil dieselben Emissionen auch woanders entstehen“, fügt er hinzu. „Die dafür notwendigen Produktionsstätten sind nach den modernsten klima- und flächenschonenden Erkenntnissen zu erstellen“, fügt er hinzu. Es dürfen zudem keine riesigen Flächen für Parkplätze entstehen. Ökologie und Ökonomie dürfen nicht immer als Gegensätze gesehen werden.

Das stärkste Argument pro Bebauung sei die Ausdehnung: „Ich persönlich kenne in der Region keinen besseren Standort dieser Größe.“ Wer die Transformation der Industriegesellschaft sozialverträglich gestalten möchte, muss dafür auch Flächen zur Verfügung stellen. „Leider ist es tatsächlich so, dass es nicht möglich ist, am selben Standort herkömmliche Verbrennungsmotoren und neue Antriebe zu produzieren. Dafür benötigen wir eine gewisse Übergangszeit, in der parallel beides stattfindet an verschiedenen Standorten.“

Der grüne Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz hält sich dagegen bedeckt und verweist auf die Eigenständigkeit der Kommunen: „Ich war selbst 17 Jahre lang bis 2016 Stadtrat in Kirchheim unter Teck. Während meiner Zeit als Stadtrat hätte ich es nicht hingenommen, wenn sich die Landespolitik in kommunale Belange eingemischt hätte. Daher werde ich das nicht machen. Ich respektiere die kommunale Planungshoheit.“ Allerdings führt er in seiner Antwort auf Anfrage des Teckboten nur die Argumente der Gegner auf: Kritikerinnen und Kritiker des Hungerbergs monieren, dass wertvolle Flächen für die regionale Landwirtschaft und für die Natur verloren gehen und sehen die Sorge einer weiteren Flächenversiegelung. Ferner hinterfragen sie, ob es überhaupt das planerische Konstrukt des Vorhaltestandortes bedarf, wenn es noch gar kein konkretes Ansiedlungsinteresse von Firmen gibt.

Einig sind sich die drei Abgeordneten bei der Bewertung des Bürgerentscheids zur Entscheidungsfindung: Von „froh“ bis „stolz“ reichen die Bewertungen. Natalie Pfau-Weller bekennt sich als „Freundin von Bürgerbeteiligung“, allerdings müssten den Leuten ausreichend Informationen zur Verfügung gestellt werden.

Andreas Kenner
Andreas Kenner
NataliePfau-Weller
NataliePfau-Weller
Beim Thema Hungerberg sind auh die Landtagsabgeordneten geteilter Meinung. Foto: Carsten Riedl
Beim Thema Hungerberg sind auh die Landtagsabgeordneten geteilter Meinung. Foto: Carsten Riedl