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Papa geht auf Tour de France

Abenteuer Seine drei Kinder wollte er dieses Mal nicht mit dem Auto besuchen: Der 65-jährige Ötlinger Jean-Paul Meyer ist 1363 Kilometer mit dem Fahrrad von Kirchheim bis nach Südfrankreich gefahren. Von Cara Döhlemann

Wie fit bin ich noch? - Dieser Frage hat sich der heute 65-jährige Jean-Paul Meyer aus Ötlingen eindrucksvoll selbst beantwortet. Allein hat er sich mit seinem Fahrrad auf den Weg nach Südfrankreich gemacht und insgesamt 1363 Kilometer in 14 Tagen zurückgelegt. Damit hat sich der Abenteurer einen lang ersehnten Traum erfüllt.

Zwei seiner drei Kinder wohnen in der Nähe der Pyrenäen, dem südfranzösischen Gebirge an der Grenze zu Spanien. Deshalb ist es jährlich Tradition, sie dort zu besuchen. ­Normalerweise hat Jean-­Paul Meyer die Strecke immer mit dem Auto auf sich genommen: „Der Gedanke, den Weg mal mit dem Fahrrad zu fahren, war aber immer da“, erzählt er. Nachdem der Radler letztes Jahr seine Tour wegen der Corona-Krise nicht beginnen konnte, stand fest: In diesem Sommer soll ihn nichts aufhalten.

Am 29. Juli bricht Meyer hoch motiviert auf in Richtung Süden. Dabei hat er abgesehen von seinem Fahrrad, einem Rucksack und genügend Wasser nicht wirklich viel dabei. „Eine im voraus geplante Route hatte ich auch nicht“, erzählt der Rentner. Doch das macht gar nichts, denn sein Motto lautet: „Der Weg ist das Ziel.“ Sein erstes großes Ziel: Freiburg. Über den Schwarzwald hinweg kommt er dann pünktlich zu seinem 65. Geburtstag in der Universitätsstadt an und verbringt zwei schöne Tage mit seinem Sohn Michel, der dort studiert.

Von Freiburg geht’s dann auch schon ab über die Grenze bis nach Belfort. In der nordfranzösischen Industrie- und Garnisonsstadt hat der gebürtige Elsässer Verwandtschaft, die es kaum erwarten kann, den Abenteurer in die Arme zu schließen. Glück mit dem Wetter hat Jean-Paul Meyer hier weniger: „Als ich in Belfort angekommen bin, hat es geregnet, und als ich wieder los bin am nächsten Morgen, war es nicht besser“, berichtet er. Doch weder Wind noch Regen halten ihn auf. Jeden Morgen pünktlich um 7 Uhr startet er seine nächste Etappe. „Mittags gab es dann immer etwas Gutes in den Magen. Auch das Sightseeing durfte auf meiner Reise natürlich nicht zu kurz kommen“, betont der fitte Rentner. Für Jean-Paul Meyer war es wichtig, während des Radelns auch die Umgebung zu erkunden. Abhängig von Wetter, Kraft und Steigung fährt er am Tag immer zwischen 80 und 100 Kilometer. „Die Etappen in den französischen Alpen waren oft sehr anstrengend, aber dafür war die Landschaft traumhaft schön. Das habe ich dann richtig genossen“, erzählt der Ötlinger.

Trotz kurzzeitigem Zwischenfall mit seiner verstauchten Hand geht’s bei dem Kämpfer stramm weiter bis in Richtung Ziel. Immer wieder macht er Rast in kleineren Ortschaften und genießt das Flair seiner französischen Heimat. Nach drei Wochen mit Höhen und Tiefen kommt der Radler voller Stolz bei seinem zweiten Sohn Gérald in der kleinen Pyrenäen-Gemeinde Haget in Südfrankreich an. „Das war ein unglaubliches Gefühl“, berichtet der 65-Jährige. Nach vier schönen Tagen bei seinem Sohn geht es zu guter Letzt dann noch zu Tochter Mélanie ins rund 40 Kilometer entfernte Barthe, südöstlich von Avignon. Am 20. August endet sein Fahrrad-Abenteuer dort. Insgesamt war er 14 Tage auf dem Fahrrad unterwegs - ohne einen einzigen Platten.

Der Franzose und Wahl-Kirchheimer war schon immer ein großer Sportfanatiker und hat seit einigen Jahren das Fahrradfahren für sich entdeckt. „Früher bin ich sehr viel gewandert, irgendwann haben das meine Knie dann leider nicht mehr mitgemacht und so hab ich mit dem Radsport angefangen“, erklärt Jean-Paul Meyer. Bis vor seiner Rente ist er jeden Tag bis nach Deizisau zum Arbeiten geradelt. „Zu Hause rumsitzen ist gar nichts für mich, deshalb muss ich auf jeden Fall drei- bis viermal pro Woche mit meinem Fahrrad raus und mich einfach bewegen“, sagt der Ötlinger.

Eine Sache ist für Jean-Paul Meyer nach dieser besonderen Reise klar: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Und der könnte ihn bald wieder nach Frankreich führen, denn vom Radeln hat er noch lange nicht genug. „Im Zentralmassiv gibt es noch wunderschöne Sehenswürdigkeiten, die ich noch nicht alle anschauen konnte“, sagt er. Frankreich ist auf jeden Fall eine Fahrradreise wert, hat er festgestellt: „Die Autofahrer sind dort viel entspannter als in Deutschland.“