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Per Video rund um die Uhr beraten lassen

Service Die Bahn hat am Kirchheimer Bahnhof eines von 18 regionalen DB-Video-Reisezentren eingeweiht. OB Pascal Bader hat es getestet. Von Thomas Zapp

Der „Profi-Reisecenter-Einweiher“ Thomas Bopp schaut Dr. Pascal Bader bei seiner Video-Premiere über die Schulter. Foto: Carsten
Der „Profi-Reisecenter-Einweiher“ Thomas Bopp schaut Dr. Pascal Bader bei seiner Video-Premiere über die Schulter. Foto: Carsten Riedl

Kirchheims Oberbürgermeister ist zufrieden: „Ich hätte jetzt nach Nürnberg fahren können“, sagt Dr. Pascal Bader nach seinem Besuch in der rund sechs Quadratmeter großen Kabine, die eines der ers- ten DB Video-Reisezentren mit durchgehender Öffnungszeit beherbergt. Seit April steht der moderne Glaskasten schon neben dem Ticketautomat auf dem Bahnsteig. Wegen Corona ist er aber erst jetzt eingeweiht worden. Ehrensache, dass sich das Stadtoberhaupt einen Test nicht nehmen lässt.

Der Kirchheimer Rathauschef wurde dabei nicht von einem computer-animierten Roboter beraten, sondern von einer leibhaftigen jungen Dame, die im DB-Servicecenter in Ludwigsburg sitzt. Eine physische Beratung gibt es in Kirchheim nicht mehr, dafür ist ein Service-Mitarbeiter per Video-Schalte auch um drei Uhr nachts zu erreichen.

„Da gibt es lustige Geschichten, wer sich um diese Uhrzeit so meldet, das sind aber tatsächlich die Ausnahmen“, sagt Reinhold Pohl, Vertriebsleiter für die Region Süd der Deutschen Bahn. Kirchheim, sagt Pohl, gehöre mit rund 3000 Anrufen seit April zu den beliebtesten unter den 19 Standorten in der Region, auch Plochingen und Esslingen gehören dazu. Thomas Bopp, Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart, war bei jeder Einweihung dabei. „Ich bin der versierteste Videostationen-Einweiher“, sagt er gut gelaunt mit einem Augenzwinkern. Bundesweit gibt es derzeit 120, Tendenz steigend. Der erste Ballungsraum mit diesem System ist aber Stutt- gart, weitere wie München könnten bald folgen. Das Interesse sei groß, sagt Reinhold Pohl. Pro Station muss aber ein fünfstelliger Betrag investiert werden, und es gibt auch Unwägbarkeiten, die nicht im Einflussbereich der Bahn liegen, wie zum Beispiel Schwankungen bei er Internetverbindung.

So passiert es auch dem Oberbürgermeister, plötzlich ist die Dame im Service nicht mehr zu hören. Routiniert fährt sie das System herunter und nach einigen Sekunden erscheint ihr Gesicht wieder auf dem Bildschirm. Direkt neben ihr erscheint auf einem zweiten Monitor für den Kunden gut sichtbar, was bei der Servicemitarbeiterin auf dem Computerbildschirm steht. So können die Kunden schnell sagen, welche Verbindung sie haben möchten oder welche Änderungen sie wünschen. Am „normalen“ Schalter drucken die Mitarbeiter die Fahrtmöglichkeiten häufig noch aus, das ist hier nicht nötig. Hinter den Bildschirmen sitzen geschulte Bahnmitarbeiter mit regionalen Kenntnissen, darauf habe man beim Regionalverband Wert gelegt, sagt Thomas Bopp, auch, dass durch die Video-Zentrale in Ludwigsburg Arbeitsplätze erhalten wurden.

Gedacht ist der Service für Kundinnen und Kunden, die ihre Tickets online nicht buchen können, spontan umdisponieren müssen oder keine Erfahrung haben. „Zum Beispiel, bei welcher Verbindung sie ein Fahrrad mitnehmen können, da melden sich dann auch jüngere Bahnkunden wie Azubis, die gerade anfangen“, sagt Reinhold Pohl. Auch wer mit dem Ticketautomaten direkt nebenan überfordert ist, kann sich schnell beraten lassen. Entsprechend unkompliziert ist der Zugang: Barrierefrei mit ausreichend Platz für Rollstuhl oder Kinderwagen und einfach in der Bedienung. Der Startknopf sieht aus wie der Ausstiegsknopf in den ICE-Zügen. Danach meldet sich ein Mitarbeiter. Im Prinzip bekommt man in der Videokabine alles wie am Schalter, sogar Wechselgeld. „Nur Fundsachen kann man nicht abgeben, aber daran arbeiten wir noch“, sagt Vertriebsprofi Pohl lachend.

Dass die Video-Reisezentren die „normalen“ komplett ersetzen, hält er für unwahrscheinlich. An großen Bahnhöfen mit internationalem Publikum bleibe ein Ansprechpartner vor Ort wichtig. Wie in Esslingen sei das Video-Reisecenter eher eine Ergänzung für die Randzeiten. Für kleinere Bahnhöfe wie in Kirchheim kann es aber eine Bereicherung sein - rund um die Uhr.