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Planer sind Mangelware

Andreas Hollatz ist als Abteilungsleiter „Straßenverkehr und Straßeninfrastruktur“ im Stuttgarter Verkehrsministerium unter anderem für die Koordination und Planung von Radschnellwegen verantwortlich. Wir wollten von ihm wissen, wo die Chancen und Konfliktfelder liegen, wenn es darum geht, mehr Menschen zum Umstieg aufs Fahrrad zu bewegen.

Das Land plant bis 2025 drei Pilotprojekte, die hohe Ausbaustandards versprechen. Wieviel von dem wird sich in diesem Zeitraum halten lassen?

Hollatz: Wir wollen bis 2030 insgesamt 20 Radschnellwege mit mehr als 250 Kilometern bauen. Eine große Teilmenge davon bis 2028. Wir können aber nur die Abschnitte bauen, die bereits Baurecht haben. Das sind meist die einfacheren Projekte, bei denen wir wiederum nur Teilstücke machen können. Wenn man als Beispiel den Radschnellweg 4 zwischen Reichenbach und Stuttgart nimmt, gehen wir davon aus, dass wir bis 2025 von den knapp über 20 Kilometern Gesamtlänge etwa die Hälfte in Teilabschnitten werden bauen können. Wir haben die Absicht, bis 2028 auch den Rest zu bauen. Ziel ist es, etwa 80 Prozent der Gesamtstrecke mit vollen vier Metern Fahrbahnbreite und, wo erforderlich, abgetrennt durch einen Grünstreifen, mit zwei Metern Breite einen Gehweg zu bauen. Das heißt, ein kleinerer Teil wird aufgrund erschwerter Verhältnisse auch mit reduziertem Querschnitt möglich sein.

Für eine Direktverbindung von Kirchheim über die Filder nach Stuttgart ist eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Wie schätzen Sie dort das Konfliktpotenzial im Vergleich zum geplanten Radschnellweg durchs Neckartal ein?

Ein Radschnellweg hat im Prinzip den Standard einer Landesstraße. Wenn man neu plant, gibt es überall Konfliktpotenzial, zum Beispiel, weil man Grunderwerb benötigt sowie in Vegetationsstrukturen und in bestehende bauliche Strukturen eingreift. Der Neckarraum ist nun mal sehr dicht besiedelt. Im Regierungspräsidium Stuttgart als planende Behörde wird man natürlich versuchen, unter Beteiligung der Kommunen möglichst konfliktfrei befriedigende Lösungen zu finden. Sobald die Machbarkeitsstudie vorliegt, werden wir aber wesentlich mehr über das Konfliktpotential wissen.

Um mehr Menschen aufs Rad zu bringen, muss man sie begeistern, eine Aufbruchstimmung erzeugen. Mit Planungszeiträumen von bis zu zehn Jahren fällt das schwer. Warum dauert das so lange?

Die größten Erschwernisse, die uns als planende Behörde treffen, ist der Personalmangel. Wir können nicht so viele Stellen besetzen, wie wir gerne würden. Es gibt nicht genügend geeignete Bauingenieure und Landschaftsplaner auf dem Arbeitsmarkt. Das andere sind umweltrechtliche Aspekte, die wir mitbetrachten müssen. Ein Beispiel: Wie im Straßenbau auch, müssen wir ein Jahr lang, also über eine Vegetationsperiode, die Arten, die im Untersuchungsraum vorkommen, untersuchen. Dies wird ausgewertet und ein Gutachten erstellt. Das dauert alleine eineinhalb bis zwei Jahre. Deshalb gibt es immer Abschnitte, die schwieriger und einfacher umzusetzen sind, auch was zum Beispiel die Fragen des Grunderwerbs betrifft, wo es ebenfalls viele Konfliktsituationen gibt. Dort muss man den Weg des Planfeststellungsverfahrens nehmen. Das dauert dann in der Regel fünf bis sieben Jahre. Wir versuchen natürlich immer, mit einfachen Verfahren voranzukommen.

Was ist für den Erfolg einer Trasse wichtiger: eine zügige Freigabe oder hohe Standards von Beginn an?

Ich würde sagen, eine möglichst zügige Freigabe, auch mit reduzierten Standards. Die 80 Prozent sind ja gesetzt. Aber wir müssen natürlich auch Durchgängigkeit erzielen. Radschnellwegprojekte sind nicht isoliert zu betrachten, sie sind ja Bestandteil des vorhandenen Radnetzes. Ziel muss es sein, möglichst große Distanzen anbieten zu können. Mit dem Pedelec sind heute auch längere Strecken zur Arbeit problemlos möglich. Ziel ist es schließlich auch, dass wir eine Verlagerung des Verkehrs von der B10 auf den Landesradschnellweg mit möglichst vielen Nutzern hinbekommen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass in Bereichen um Esslingen bis zu 7 000 Radler täglich dieses Angebot nutzen werden.

Was kann man von Nachbarn wie den Niederlanden lernen?

Viel. Ich war bei unserer Reise erstaunt, wie schnell dieses besondere „holländische“ Fahrradgefühl bei uns als Exkursionsteilnehmer entstanden ist. Auch die Vernetzung von Öffentlichem Nahverkehr und dem Fahrrad hat mich beeindruckt. Etwa durch Stellplätze direkt unter dem Bahnsteig, wie wir das in Houten erlebt haben. Auch die gesonderte Einfärbung des Belags muss man sich überlegen. Was vielleicht entscheidend ist: Die Infrastruktur, die wir schaffen, muss einfach und intuitiv nutzbar sein und dies aus Sicherheitsgründen auf eigenen Radwegen..Bernd Köble