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Politischer Fünfkampf

Wahl Auf Einladung der Rotarier stellen fünf Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis ihre Ideen in freier Rede vor und müssen spontan Fragen aus dem Publikum beantworten. Kleine Spitzen gibt es auch. Von Thomas Zapp

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Während die politischen Formate Triell und Vierkampf gerade im Fernsehen Konjunktur feiern, hat die regionale Variante „Fünfkampf“ am Dienstagabend im Kirchheimer Hotel Fuchsen Station gemacht. Das Moderatoren-Duo Eberhard Haußmann und Katrin Hogh steigt mit einem Ratespiel ein: Wer kennt die Kandidaten hinter dem Plakat? Ergebnis: Viele Slogans sind austauschbar. „Das hat uns überrascht“, sagt Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands. Hängen bleibt am ehesten die Polemik von rechts: „Deutschland. Aber normal“ kann jeder der Gäs­te zuordnen.

Es gilt also, das Profil zu schärfen. Eingeladen hat der Rotary-Club Kirchheim/Teck-Nürtingen dazu Bundestagkandidatin Renata Alt (FDP) sowie die Kandidaten Nils Schmid (SPD), Michael Hennrich (CDU), Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen) und Hüseyin Sahin (Die Linke). Letzterer ist der einzige unter den fünf Politikerinnen und Politikern, der noch kein Bundestagsmandat besitzt. Nervosität zeigt der Kirchheimer trotz wenig Erfahrung jedoch nicht und bringt sein Thema selbstbewusst unter das Publikum: die Verstaatlichung des Wohnungssektors. Mieten steigen, weil die Dividenden der Wohnungskonzerne steigen müssen, sagt er. Auch auf dem Energiemarkt will er kommunale Anbieter gegenüber den Konzernen stärken. Das würde auch die Preise transparenter machen.

In drei Runden haben die politischen Gäste zwei Minuten plus zwei Minuten „Verlängerung“ Zeit, frei auf einem Rednerpult zu sprechen. Es gab also keinen direkten Schlagabtausch, den man aus teilweise ermüdenden TV-Formaten kennt. Dennoch werden Unterschiede deutlich, etwa beim Thema Mobilität und Klimaschutz. „Verbrenner müssen künftig mit anderen Stoffen betrieben werden, Elektromobilität kann nur ein Teil sein“, meint etwa Renata Alt von der FDP. Denn die Lade-Infrastruktur könne bis 2030 nicht komplett gestellt werden. Darauf reagiert dann Matthias Gastel in seinem Statement direkt: „Die Batterie beim Pkw ist die Zukunft, da ist die Entscheidung gefallen, und zwar auf dem Weltmarkt. Und da wollen wir dabei sein“, betont der Grünen-Abgeordnete.

Wenn der ­Kirchheimer CDU-Abgeordnete Michael Hennrich noch die „falsche Reihenfolge“ von Atomausstieg vor Kohleausstieg bedauert, bekräftigt Gastel den grünen Markenkern: „Es gibt noch ein AKW in Deutschland und das ist gut. Denn global sind die Kernkraftwerke auf dem Rückzug, auch wenn welche gebaut werden“, betont er. Außerdem sei der Kohleausstieg 2038 „zu spät“. So weit, so wenig überraschend.

Auch das Thema Bauen und Wohnen steht natürlich auf dem Programm. SPD-Kandidat Nils Schmid kündigte in seinem Drei-Minuten-Statement an, unter einer SPD-Regierung 400 000 Wohnungen pro Jahr bauen zu lassen, davon 100 000 Sozialwohnungen. Dazu brauche es aber mehr Personal in den Ämtern, er selbst brauchte mehrere Monate, bis er ein Plakat an seinem Büro aufhängen durfte, erzählt der Nürtinger. „Für die kommenden zehn bis 15 Jahre fordert er, „Bagger rollen lassen, dass es kracht“. Denn marode Straßen, Schulen müssen modernisiert werden, und auch das Glasfasernetz muss unter die Erde.

Den Ankündigungen und Forderungen der Politiker setzt das eloquente Moderatoren-Duo Eberhard Haußmann und Gattin Katrin Hogh eine offene Fragerunde aus dem Publikum entgegen. So wirft der Kirchheimer Unternehmer Walter Feess ein, dass es keine bezahlbare Wohnungen gibt, weil „die Regierung alles teurer“ macht und es zu wenig Bauland gibt.

Dazu hat Renata Alt (FDP) gleich ein Beispiel parat, wie auch die Grünen im Kirchheimer Gemeinde­rat gegen eine Aufstockung des Projekts Lauterterrassen stimmten und eine bessere Nutzung der Fläche verhinderte. „Obwohl die Partei grundsätzlich dafür ist“, sagt sie. Michael Hennrich (CDU) bringt ein weiteres Thema: das Nachbarschaftsrecht. Ohne gewisse Aufweichungen in diesem Bereich wird es eine Beschleunigung im Baurecht nicht geben, meint der Jurist. Das betreffe auch andere wichtige Projekte wie etwa Stromtrassen.

Und manchmal beschäftigen die Leute ganz einfache Fragen: „Pflege ist wichtig, Bauen ist wichtig. Dafür braucht man Menschen“, stellt Autohändler Eberhard Russ fest. Aber der „Hype“ aufs Studium verhindere den Nachwuchs im Handwerk. Da kann Michael Hennrich punkten: Sein Sohn hat als Abiturient eine Ausbildung bei Russ angefangen. Hüseyin Sahin macht es an den Gehältern fest, dass mehr Menschen studieren.

Nach zwei Stunden politischem Fünfkampf werden die Gäste mit einem Essen und lockeren Gesprächen belohnt, zu dem die Kandidaten auf die runden Tische per Los verteilt wurden. „Ich biete auch an, zu wechseln“, scherzt der Kandidat von Die Linke.