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Recht auf Homeoffice?

Arbeitswelt Die Bundestagskandidaten im Wahlkreis Nürtingen sind geteilter Meinung darüber, ob das mobile Arbeiten gesetzlich verankert werden sollte oder nicht. Von Bianca Lütz-Holoch

Familie und Beruf unter einen Hut bringen oder lange Wege ins Büro sparen: Viele schätzen das Arbeiten von zu Hause.Foto: Carste
Familie und Beruf unter einen Hut bringen oder lange Wege ins Büro sparen: Viele schätzen das Arbeiten von zu Hause.Foto: Carsten Riedl

Homeoffice? Das war früher die Ausnahme. Dann kam das Coronavirus - und mit ihm ein Umbruch in der Arbeitswelt. Zahlreiche Arbeitnehmer haben während der Pandemie von zu Hause aus gearbeitet - und wünschen sich, auch nach Ende der Pandemie zumindest teilweise im Homeoffice bleiben zu dürfen. Soll es unabhängig von Corona ein Recht auf mobiles Arbeiten geben? Der Teckbote hat dazu die Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien aus dem Wahlkreis Nürtingen befragt.

Für den Kirchheimer CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich ist klar: „Homeoffice war in der akuten Phase der Corona-Krise ein wichtiger und positiver Faktor.“ Der Arbeitswelt habe der Sprung in der Anerkennung des Heimbüros gut getan. Eine gesetzliche Verankerung eines Rechts auf mobiles Arbeiten lehnt er aber ab. „Die Pandemie hat doch die Erkenntnis gebracht, dass wir eines in Deutschland zu Genüge haben: bürokratische Regelungen.“ Deshalb lautet sein Vorschlag: „Die Tarifpartner sollten die konkreten Regeln aushandeln.“ Ganz außen vor bleiben müsste der Gesetzgeber trotzdem nicht: „Vorstellen könnte ich mir, dass man gewisse Anreize setzt, damit es zu Regelungen kommt.“

Für ein Recht auf Homeoffice spricht sich der SPD-Abgeordnete Dr. Nils Schmid aus. „Zu Hause zu arbeiten kann mehr Möglichkeiten schaffen, Familie, Beruf, soziales Engagement unter einen Hut zu bringen“, begründet er. Homeoffice um jeden Preis dürfe es aber nicht geben. „Voraussetzung ist der Grundsatz der Freiwilligkeit.“ Der Vorschlag der SPD: Beschäftigte sollen mindestens 24 Tage im Jahr mobil arbeiten können, wenn es die Tätigkeit erlaubt. Homeoffice muss aus Sicht von Nils Schmid aber an Bedingungen geknüpft sein, wie Arbeitszeiterfassung, technische Ausstattung und Unfallversicherung. Zudem sei ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wichtig.

Auch der Grünen-Abgeordnete Matthias Gastel plädiert für ein Recht auf mobiles Arbeiten. „Wir wollen Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Arbeit besser an ihr Familien- und Privatleben anzupassen“, sagt er. „Eine moderne Arbeitswelt bedeutet auch mehr Mitsprache bei Ort, Lage und Umfang der Arbeit.“

„Es braucht ein Gesetz“

Für viele hätte Homeoffice während Corona mehr Eigenständigkeit und weniger Stress gebracht, etwa, weil das Pendeln zur Arbeit wegfiel. „Es braucht ein Gesetz, das den Rechtsanspruch auf Homeoffice und mobiles Arbeiten regelt, Hürden abbaut und vor Entgrenzung schützt“, sagt er. „Die Chance für ein solches Gesetz hat die Bundesregierung verpasst.“

„Es muss eine flexible und zeitgemäße Regelung für Homeoffice geben“, sagt die FDP-Abgeordnete Renata Alt. Die Pandemie habe gezeigt, dass viele Menschen sogar produktiver im Homeoffice als im Büro arbeiten. „Die derzeitige, komplett veraltete Gesetzgebung zu Telearbeit wird den Bedürfnissen nicht mehr gerecht“, ist Renata Alt überzeugt: „Wir brauchen einen modernen Rechtsrahmen für Homeoffice.“ Wichtig sei es, Unternehmen von unnötigen bürokratischen Hürden zu entlasten. „Dazu bedarf es eines fairen Erörterungsrechtes, bei dem Interessen und Bedürfnisse der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber berücksichtigt werden.“

„Homeoffice war während der Corona-Krise eine wichtige Stütze“, betont Hüseyin Sahin, Bundestagskandidat der Linken: „Damit es dauerhaft funktioniert, müssen die Beschäftigten die Bedingungen mitbestimmen.“ Das neue „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ sieht er als vertane Chance, Unternehmen zu demokratisieren. Eine Modernisierung der Gesetzgebung zum mobilen Arbeiten hält er für dringend nötig. Bedingung sei, dass die Arbeitszeiterfassung funktioniert, Geräte gestellt und Kosten erstattet werden. Wichtig aus seiner Sicht: „Aus einer Homeoffice-Möglichkeit darf sich keine Pflicht ableiten. Schließlich ist der Arbeitsplatz mehr als ein Ort der Tätigkeit.“

„Der Gesetzgeber sollte eher die Bürokratie abbauen, bevor er neue Verordnungen erlässt“, sagt die AfD-Kandidatin Kerstin Hanske. Ein Recht auf Homeoffice wäre aus ihrer Sicht problematisch. „Es bedeutet für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, IT-technisch aufzustocken, was zusätzliche finanzielle Belastung bringt“, argumentiert sie: „Einer Statistik zufolge ist im letzten Jahr ein Schaden von 50 Milliarden anstatt der bisherigen 20 Milliarden für die Firmen durch das Homeoffice entstanden.“ Zudem seien Arbeitnehmer zu Hause Hacker­angriffen stärker ausgesetzt, weil Sicherheitsstandards oft nicht ausreichten. „Ziel ist das papierlose Büro, davon sind wir noch weit entfernt“, so Hanske.