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Russische Klangwelten erstrahlen in hymnischem Glanz

Konzert Tübinger Saxofon-Ensemble begeistert in der Christuskirche mit Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“.

Kirchheim. Das Tübinger Saxofon-Ensemble spielt Bearbeitungen von Werken der klassischen Musik aller Epochen und führt damit die Idee von Adolphe Sax fort, der das von ihm erfundene Instrument ursprünglich als klassisches Instrument mit klanglichen Nuancen von Violinen bis Hörnern konzipiert hatte. Die Erfolge des Ensembles bei internationalen Bläser-Wettbewerben und bei Konzerten im In- und Ausland zeigen dessen hohe Reputation. Unter der unaufgeregt präzisen Leitung von Harry D. Bath begeisterten die von zwei Schlagwerkern unterstützten 14 Bläser das Publikum in der voll besetzten Christuskirche.

Die Musiker, allesamt Amateure, bilden einen wunderbar harmonierenden, an ein Sinfonieorchester erinnernden Klangkörper. Sie faszinieren mit Spielfreude, perfektem Zusammenspiel und gefühlvollen, detailgenauen Interpretationen der Werke auf professionellem Niveau. Die humorvolle, frische Moderation von Lukas Fischer gibt dem Abend einen zusätzlichen „Drive“.

Als passender Auftakt erklingt der „Einzug der Königin aus Saba“ von Georg Friedrich Händel mit üppiger Prachtentfaltung, sprudelnder Lebensfreude und dem barocktypischen Kontrast zwischen Tutti- und Soloteilen mit seiner Terrassendynamik.

Was hätte Johann Sebastian Bach gesagt, wenn er seine berühmte Passacaglia und Fuge c-Moll für Orgel in der Besetzung mit Saxofonen hätte hören können? Das Orchester wird in dem Variationenwerk quasi wie eine Orgel registriert, es gibt „fiktive Manualwechsel“. Wunderschön und mit zarten Klängen abgesetzt erklingen die Arpeggien im Mittelteil, wo die Töne des Themas als Staccato-Tupfer herauszuhören sind, ehe durch Zunahme der Stimmen, der Rhythmik und der Dynamik eine grandiose Schlusssteigerung einsetzt.

Die Serenade Opus 20 von Edward Elgar fasziniert mit filigran wechselnden Klangfarben und sanft dahinströmender Melodik. In der modernen Komposition „Jupiter“ aus dem Zyklus „Die Planeten“ von Gustav Holst erweist sich das Saxofon-Ensemble mit freudebringender Klangfülle als ebenbürtig mit einem Sinfonieorchester.

Der russische Komponist Modest Mussorgsky hat seine „Bilder einer Ausstellung“ im Jahr 1874 für Klavier komponiert und darin zehn Bilder seines Freundes Viktor Hartmann in Musik umgesetzt. Eine außergewöhnliche Aufführung der Orchesterfassung, die Maurice Ravel viele Jahre später geschaffen hat, gelingt dem Tübinger Saxofon-Ensemble mit einer Vielfalt von Klangfarben, ausdrucksvoller Gestaltung, abwechslungsreichen gut gewählten Tempi und nicht zuletzt durch fein nuancierte und aufs jeweilige Bild abgestimmte Dynamik.

Die „Promenade“, eine in Variationen immer wieder auftauchende Melodie im Duktus russischer Volkslieder, stellt die Schritte des Komponisten durch die Ausstellung dar. Die gespaltene unberechenbare Persönlichkeit eines „Gnomus“ wird durch schroffe Kontraste in der Musik verdeutlicht. In den „Tuilerien, Streit der Kinder nach dem Spiel“ steht die helle Klangfarbe für die hohen Kinderstimmen. Ein ständig wiederholtes Motiv unterstreicht die „Hin- und Her-Bewegung“ beim Streit. In „Bydlo“ bewegt sich ein schwerer Ochsenkarren schleppend durch die russische Steppe. Man hört das Stampfen der Ochsen und das Drehen der Räder. Im Streitgespräch zwischen dem reichen „Samuel Goldenberg“ und dem Bettler „Schmuyle“ gelingt es dem Ensemble vortrefflich, menschliche Stimmen nachzuahmen.

Als Höhepunkt dieses farbenprächtigen Kaleidoskops russischer Klangwelten erstrahlt im hymnischen Glanz der Schlusssatz „Das Große Tor von Kiew“. Mussorgsky zitiert die majestätische „Alte Zarenhymne“, um die Macht des Zaren und die Größe des von ihm in Auftrag gegebenen Bauwerks darzustellen.

Für den reichen Beifall bedankt sich das Ensemble mit zwei Zugaben: Geradezu in einen Spielrausch geraten die Musiker bei der Ouvertüre von Michail Glinkas „Ruslan und Ljudmila” mit ihren furiosen Läufen. Als stimmungsvollen, ruhigen Ausklang wählt der erfahrene Dirigent „Nimrod“ von Edward Elgar. Hans-Günther Driess