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Sanfter Riese sucht neues Körbchen

Skandal Unbekannte haben in Ötlingen einen Pitbull ausgesetzt. Nach zwei Wochen im Kirchheimer Tierheim ist der liebenswürdige Hund nun nach Stuttgart umgezogen und hofft auf ein Zuhause. Von Sandra Langguth

Haben sich nur kurz kennengelernt: Pitbull Bubi und die Kirchheimer Tierheimleiterin Sandra Nebe.
Haben sich nur kurz kennengelernt: Pitbull Bubi und die Kirchheimer Tierheimleiterin Sandra Nebe.

Juhuuu, Gassi gehen“, hat er sich vielleicht noch gedacht, als Geschirr und Leine rausgeholt wurden und die Wohnungstür aufging. Dass der abendliche Spaziergang diesmal nicht zurück ins vertraute Körbchen führen, sondern an der nächsten Regenrinne enden würde, ahnte der vierjährige Pitbull da noch nicht. Angebunden, zurückgelassen, ausgesetzt. Seine vertrauten Zweibeiner kehrten einfach nicht zurück. So sehr er auch jaulte, herzzereißend jaulte - keine vertraute Menschseele weit und breit.

Während sich Pablo, so soll das hübsche Tier gerüchtehalber heißen, an einer Regenrinne in der Reutlinger Straße die Seele aus dem Leib schrie, ging bei der Polizei ein Anruf ein. „Pitbull ausgesetzt, bitte kommen.“ Die Beamten alarmierten die Tierrettung, und so kam Jürgen Völker herbeigeeilt, der den verstörten Hund behutsam einfing und ins Kirchheimer Tierheim brachte. Dort ist man auf Hunde eigentlich gar nicht eingestellt. „Wir haben hier bloß einen Notfall-Zwinger, der für kurzfristige Aufnahmen gedacht ist“, erklärt Leiterin Sandra Nebe. Als sie am nächsten Morgen ins Tierheim kam, saß da also ein großer, grauer Pitbull im Zwinger, der natürlich gefüttert werden und Gassi gehen wollte. „Das war alles nicht so einfach, wir wussten ja gar nicht, wie er auf Fremde reagiert“, erklärt Sandra Nebe, während sie die breite Stirn des Tieres tätschelt.

Es dauerte allerdings nicht lange, bis klar war: Pablo ist ein extrem lieber Kerl. Und weil er auf diesen Namen überhaupt nicht reagierte, heisst er jetzt Bubi. „Klingt vielleicht lustig, passt aber viel besser zu ihm“, sagt Sandra Nebe lachend, auch wenn die ganze Geschichte eigentlich alles andere als komisch ist. „Uns haben in den letzten Wochen zwei Anrufe erreicht. Einmal wollte jemand, dass wir die Tierarztrechnung für einen Pitbull übernehmen, das andere mal wurde gefragt, ob wir einen Pitbull aufnehmen. Da es hier in der Gegend nicht so viele gibt, muss man nur eins und eins zusammenzählen“, berichtet die Tierheim-Leiterin. Sie vermutet, dass Bubi in der Vergangenheit herumgereicht wurde. Mit seiner Farbe Blue Line gehört er zu den begehrten Exemplaren, die allerdings zu Allergien neigen. „Bubi braucht teures Spezialfutter. Dass er das nicht bekommen hat, sieht man am Fell. Er hat überall Pusteln, und die Ohren sind ganz verkrustet.“ Außerdem ist Bubi ein so genannter Listenhund, der nur mit bestandenem Wesenstest ohne Maulkorb auf die Straße darf. „Wir wissen nicht, ob er den Test hat. Wahrscheinlich ist er nicht mal angemeldet. Zumindest hatte er keine Marke, und von den Tierärzten hier kennt ihn auch keiner“, sagt Sandra Nebe, die sich vor Anfragen für Bubi kaum retten konnte. Hunderte trudelten nach ihrer Story auf Facebook ein, aus ganz Deutschland und sogar der Schweiz. „Eine Frau hat ein Foto der Urne ihres gerade verstorbenen Hundes geschickt. Sie meinte sie hätte kürzlich genau so einen Pitbull verloren und nun möchte sie gerne einen neuen.“

Für das Kirchheimer Tierheim war schnell klar, dass das die Kapazitäten übersteigt. Deshalb hat sich Sandra Nebe an eine andere Einrichtung gewandt, die regelmäßig mit der Vermittlung von Hunden zu tun hat. So ist Bubi am Mittwoch, nach zwei Wochen Aufenthalt in Kirchheim, ins Stuttgarter Tierheim umgezogen. „Dort hat er super Chancen auf Vermittlung“, sagt Sandra Nebe, der der Abschied von dem grauen Riesen mit den traurigen Augen nicht leicht gefallen ist. „Hunde sind da ganz anders als Katzen“, berichtet sie aus ihrer täglichen Erfahrung.

Nun hofft sie, dass Bubi endlich ein tolles Zuhause findet, bei Menschen, die ihn lieben und für ihn sorgen. Um die bisherigen Besitzer kümmert sich laut Sandra Nebe derweil die Polizei, auch wenn das Aussetzen eines Tieres nur eine Ordnungswidrigkeit ist. Gerade so, als hätte man einfach nur mal falsch geparkt.