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Schmerzlicher Rückschritt

Zum Artikel „Eltern hoffen auf mehr Flexibilität“ vom 26. Juli

Vielen Dank für den ausgewogenen Artikel. Mit dem vorliegenden Modell der Ganztagsschule geht aus meiner Sicht eine zentrale Errungenschaft der letzten Jahre verloren: die Freiheit, als Familie selbstbestimmt entscheiden zu können, in welchem Umfang Kinder im Kindergarten oder der Schule über die Schulzeit hinaus betreut werden. Diese Flexibilität erlaubt es aber doch gerade, Familie und Beruf miteinander in Einklang zu bringen. Künftig lautet die Entscheidung: Beruf oder Familie. Beide Eltern können in Zukunft nur noch dann berufstätig sein, wenn sie sich für die Ganztagsschule entscheiden. Wer sich hingegen bewusst dafür entscheidet, sein Kind nachmittags selbst betreuen zu wollen, kann keiner beruflichen (Halbtags-)Tätigkeit nachgehen, denn die Halbtagsschule bietet keine verlässlichen Betreuungsangebote oder Mittagessen mehr.

Und wo bleibt das Wohl des Kindes? Es gibt Kinder, die die ganztägige Betreuung in der Schule problemlos meistern; es gibt aber auch Kinder, für die Schule sehr anstrengend ist. Wir brauchen deshalb ein Schulsystem, das auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder Rücksicht nimmt, und keines, das alle Kinder über einen Kamm schert.

Warum wollen wir das Erreichte aufs Spiel setzen? Als Vater von zwei Kindern (sechs und acht Jahre) bin ich nicht grundsätzlich gegen die Ganztagsschule. Aber uns als Eltern vor die Entscheidung „Alles oder Nichts“ zu stellen und das Wohl des einzelnen Kindes aus dem Blick zu verlieren, halte ich für einen schmerzlichen Rückschritt.

Dr. Pascal Bader, Kirchheim