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Schutz vor Fingerverletzungen

Innovation Die Institute für Textil- und Faserforschung in Denkendorf entwickeln einen Überdehnungsschutz für Torwarthandschuhe. Beteiligt ist auch Ex-Nationalkeeper René Adler. Von Harald Flößer

An einem speziellen Prüfstand testet Projektleiter Hans-Helge Böttcher den Überdehnungsschutz. Foto: Horst Rudel
An einem speziellen Prüfstand testet Projektleiter Hans-Helge Böttcher den Überdehnungsschutz. Foto: Horst Rudel

Die Wucht des Balles kann gewaltig sein, gerade wenn ein Fußballer aus nächster Nähe aufs Tor schießt. So mancher Torhüter hat da schon schlimme Fingerverletzungen erlitten. Um diese Gefahr zu minimieren, haben die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) in Denkendorf einen innovativen Überdehnungsschutz entwickelt. Kooperationspartner ist die Firma „T1TAN“, die Torwartbekleidung und -ausrüstung vertreibt. Einer der Anteilseigner des acht Mitarbeiter zählenden Start-up-Unternehmens ist der frühere National- und Bundesligatorhüter René Adler.

„Die Forschungsaufgabe ist sehr anspruchsvoll“, erklärt Hans-Helge Böttcher, Wissenschaftler und Projektleiter im Technologiezentrum Maschentechnik der Textil- institute. Die Vorgaben sind hoch: „Das textile Material muss nicht nur die Finger vor extremer Belastung schützen, sondern muss gleichzeitig flexibel sein und darf die sensorische Wahrnehmung nicht einschränken.“ Aus diesem Grund sei bisher kein effektiver Schutz auf dem Markt verfügbar

Laut Böttcher soll der in Denkendorf entwickelte Handschuh 90 Prozent der Verletzungen verhindern, die durch Überdehnung verursacht werden. Dazu habe man ein mechanisches Konzept entwickelt, das die Kraft in den Fingerspitzen aufnimmt und über die Handgelenkmanschette in den Unterarm ableitet - und das, ohne dass sich der Handschuh verformt.

Dafür sorgen textile Strukturen, die vom Fingerendgelenk der Außenhand bis zum Fingerendgelenk der Innenhand aufgenäht werden. „Der Vorteil ist, dass die Schutzvorrichtung nicht nur individuell auf die Handlänge des Sportlers abgestimmt, sondern sogar für jeden einzelnen Finger die passende Vorspannung eingestellt werden kann“, erklärt der Wissenschaftler. Das ersetze die bisherigen Kunststoffschienen, sogenannte „Finger Frames“. Diese haben, wie Böttcher erklärt, den Nachteil, dass sie sich leicht über ihre Dehngrenze hinaus verbiegen.

Für das Forschungsprojekt wurde in den Textilinstituten ein spezieller Prüfstand mit zwei zentralen Elementen gebaut: einer Ballkanone und einem speziell entwickelten Handdummy für den Torwarthandschuh. Mit Geschwindigkeiten von 20 bis 120 Stundenkilometern und aus unterschiedlichen Auswurfwinkeln schießt die Ballkanone den Fußball auf den Handdummy. Eine spezielle Druckmessdose hinter dem Handschuh ermittelt die verbliebene Aufschlagskraft. „Diese ist bei dem neu entwickelten Torwarthandschuh so gering, dass der Torwart wirksam vor einer Überdehnung der Finger geschützt ist“, erklärt Böttcher.

Er geht davon aus, dass das Forschungsprojekt im September abgeschlossen ist. Was die Markteinführung angeht, ist Oswald Rieder, der Leiter des Technologiezentrums Maschentechnik in Denkendorf, optimistisch: „Gut möglich, dass schon bei der Weltmeis- terschaft in Katar die neue Technologie Standard ist.“

Früherer Profi ist begeistert

Die Grundidee für die neuartige Technik stamme vom Physiotherapeuten Jochen Gehring, sagt Lothar Bisinger, der als Projektleiter für „T1TAN“ tätig ist. Der Balinger hält nicht viel von den üblichen Torwarthandschuhen mit den Plas- tiksegmenten auf der Oberseite der Finger. Er setzt darauf, unelastische Bänder an den Finger- innenseiten anzubringen, genau dort, wo auch die menschlichen Sehnen verlaufen. Nur so schaffe man einen wirksamen Schutz vor Überdehnungen und Kapselrissen, so Gehrings Überzeugung. Zudem könnten die Bänder individuell eingestellt werden. Der Physiotherapeut hat diese Idee nach Bisingers Aussagen auch zum Patent angemeldet.

Der frühere Fußball-Nationaltorhüter René Adler weiß aus Erfahrung, wie wichtig Handschuhe sind. Kapsel- und andere Fingerverletzungen, die bei scharfen Schüssen entstehen, gehörten zu den leidvollen Begleiterscheinungen im Leben eines Keepers. Als Gesellschafter der „T1TAN“ ist Adler stolz, dass im Rahmen eines Förderprojekts zusammen mit den Textilinstituten ein komplett neuer Überdehnungsschutz entstanden ist. Wichtig sei die neue Technologie vor allem für Torhüter im Kinder- oder Jugendalter, die noch im Wachstum sind und ohne effektiven Schutz langwierige Verletzungen davontragen können.

Viele Amateure und Profis müssten verletzte Finger im Training und im Spiel oft zusammentapen, berichtet René Adler. „Ich bin überzeugt, dass die neuen Torwarthandschuhe dazu beitragen können, in unserem Sport diese alltäglichen Fingerverletzungen deutlich zu minimieren.“