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Sex mit Maske erlaubt, Küssen verboten

Erotikbranche Käufliche Liebe in Zeiten der Corona-Pandemie: So könnte ein Bordellbesuch unter Beachtung der aktuellen Hygienemaßnahmen demnächst aussehen. Von Matthäus Klemke

Mit Maske und Desinfektionsspray: Claudia Krasovc hofft, ihr Knusperhäusle bald wieder öffnen zu dürfen. Foto: Holzwarth
Mit Maske und Desinfektionsspray: Claudia Krasovc hofft, ihr Knusperhäusle bald wieder öffnen zu dürfen. Foto: Holzwarth

Anders als in anderen Branchen sind Corona-Lockerungen für Prostitutionsbetriebe derzeit nicht in Sicht. Betreiber bringt die Situation in finanzielle Nöte. Mithilfe eines Hygiene-Konzepts möchte eine Nürtingerin zeigen, dass auch bei einem Bordellbesuch Hygiene-Regeln eingehalten werden können. Vom Ordnungs- und Gesundheitsamt gab es dafür bereits Lob.

Mit Mundschutz und Desinfektionsspray ausgerüstet, reinigt Laura die Handfesseln in einem der Zimmer ihres „Knusperhäusles“ in der Max-Eyth-Straße. Auch wenn die Geräte schon lange nicht mehr benutzt wurden, müssen sie ja schließlich gepflegt werden. Seit dem Corona-Lockdown wird bei Laura nicht mehr „geknuspert“, ihre Mitarbeiterinnen musste sie alle nach Hause schicken.

Warum es für Etablissements wie ihres keine Lockerungen gibt, kann Laura - die eigentlich Claudia Krasovc heißt - nicht verstehen: „Es darf doch auch wieder massiert werden. Warum dürfen wir dann nicht öffnen?“ Die Nachfrage sei groß: „Andauernd klingelt es an der Tür, und ich muss die Leute abwimmeln.“

Die Corona-Epidemie hat auch die Erotikbranche in die Krise gestürzt. Dabei hat Krasovc noch Glück gehabt: „Ich habe Rücklagen, von denen ich leben kann.“ Andere hat es schlimmer getroffen: „Ich kenne einige Betreiber, die bereits dichtmachen mussten.“

Vom Land gab es 9 000 Euro Soforthilfe für das Knusperhäusle. „Das Geld ist für drei Monate gedacht. Ich habe aber jeden Monat Ausgaben von 9 000 Euro.“

Um so schnell wie möglich wieder öffnen zu dürfen, möchte die Inhaberin ein Hygiene-Konzept umsetzen, das der BesD (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen) zusammen mit Gesundheitsämtern entwickelt hat. Für Angestellte und Kunden gelten dann strenge Regeln.

So soll es Treffen nur noch nach Terminvereinbarung geben. Körperkontakt beim Sex ist zwar erlaubt, eine Umarmung oder ein Händeschütteln zur Begrüßung aber nicht.

Im Knusperhäusle werden die Kunden üblicherweise zunächst in den Aufenthaltsraum gebracht. Dort hat Krasovc schon einen Stapel Kontaktformulare bereitgelegt, gleich neben der großen Schale mit Mund-Nase-Masken. Wegen der Rückverfolgung im Falle einer Ansteckung sollen Kunden - ähnlich wie in Restaurants - ihre Kontaktdaten hinterlassen.

„Außerdem muss jeder Besucher eine Maske anziehen“, erklärt sie. Die darf er auch während der gesamten erotischen Dienstleistung nicht abnehmen - womit sich auch die Frage erledigt hätte, ob alle sexuellen Praktiken möglich sind.

„Gesichtsnahe Dienstleistungen“ sollen laut Konzept verboten sein. Doch wie soll das beim Sex funktionieren? Hier soll darauf geachtet werden, dass zwischen den Köpfen der beiden Personen ein Abstand von mindestens einer Unterarmlänge herrscht. Nach dem Sex sollen die Zimmer gründlich desinfiziert werden. „Das haben wir aber vorher auch schon gemacht“, sagt Krasovc. Allerdings hat sie die Zahl an Reinigungsmitteln in den Zimmern noch mal aufgestockt. Auch in den Fluren hängen alle paar Meter Desinfektions-Stationen.

Auf Einladung der Inhaberin haben sich am gestrigen Freitag Mitarbeiter des Nürtinger Ordnungsamtes und des Gesundheitsamtes ein Bild von den Hygiene-Vorkehrungen im Knusperhäusle gemacht und hatten viel Lob übrig. „Wir freuen uns sehr darüber, wenn Betreiber Eigeninitiative zeigen und auf uns zukommen“, so Ordnungsamtsleiter Peter Herrle. Zu beanstanden habe es bei dem Kontrollgang nichts gegeben.

Auch Dr. Albrecht Wiedenmann, Sachgebietsleiter für Infektionsschutz und Umwelthygiene beim Landratsamt Esslingen, war froh über die Eigeninitiative: „Es war jetzt das erste Mal, dass die Betreiberin einer Prostitutionsstätte auf uns zugekommen ist und kontrolliert werden wollte.“

Peter Herrle gibt allerdings zu bedenken, dass das Betriebsverbot für Bordelle und ähnliche Einrichtungen vom Land kommt. „Wann dieses Verbot aufgehoben wird, kann derzeit niemand so genau sagen.“

Claudia Krasovc rechnet damit, dass sie frühestens Anfang September wieder ihr Etablissement öffnen darf. „Und dann wird es schwierig werden, Personal zu finden“, befürchtet sie. „Die Mädels gehen natürlich in Länder, in denen die Betriebe schon längst geöffnet haben.“