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Shopping ohne Ende

Handel Sollten Geschäfte während der Corona-Pandemie jeden Sonntag öffnen dürfen? Der Teckbote hat mit dem City Ring, der Stadt, einem Pfarrer und einem Gewerkschafter gesprochen. Von Antje Dörr

Am 18. Juli fand außerplanmäßig der erste verkaufsoffene Sonntag des Jahres statt. Foto: Jörg Bächle
Am 18. Juli fand außerplanmäßig der erste verkaufsoffene Sonntag des Jahres statt. Foto: Jörg Bächle

Wie kann der Einzelhandel die Umsatzeinbußen, die während des Corona-Lockdowns entstanden sind, wieder wettmachen? Wenn es um diese Frage geht, fällt immer wieder das Stichwort „Verkaufsoffener Sonntag“. Im Juni hatte der Handelsverband HDE gefordert, Geschäfte bis Jahresende auch sonntags öffnen zu lassen. Begründung: Der Online-Handel könne 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche verkaufen und sei damit eindeutig im Vorteil. Der Städte- und Gemeindebund folgte dem Ruf nach mehr Sonntagsöffnungszeiten.

Auch Karl-Michael Bantlin, Vorsitzender des Kirchheimer City Rings, ärgert sich über die Ungleichbehandlung zwischen Internet und Einzelhandel. Dass Geschäfte jeden Sonntag öffnen, hält er persönlich jedoch für nicht umsetzbar. „Wenn bekannt wäre, dass jeden Sonntag gearbeitet werden muss, würde es noch schwieriger werden, Mitarbeiter zu finden“, glaubt er. Außerdem mutmaßt er, dass der „Verkaufsoffene Sonntag“ an Attraktivität verliere, wenn er jeden Sonntag stattfände. Prinzipiell ist Karl-Michael Bantlin jedoch ein großer Fan dieser besonderen Shopping-Tage und kann sich eine Zwischenlösung, bei der Geschäfte bundeseinheitlich etwas häufiger aufmachen dürfen, durchaus vorstellen. „An einem guten verkaufsoffenen Sonntag verdient man als Einzelhändler 50 bis 100 Prozent dessen, was man an einem normalen Tag verdient. Und das mit weniger Stunden“. Allerdings würden diese Tage gemäß Tarifvertrag auch höher vergütet, gibt Bantlin zu bedenken.

Als Reaktion auf Lockdown und Corona-Krise hat die Stadt Kirchheim die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage in diesem Jahr schon moderat ausgeweitet. „Um den Handel zu unterstützen und die ausgefallenen Verkaufstage im November und März, die traditionell an den Gallusmarkt und den Märzenmarkt gebunden sind, zu kompensieren, gibt es in diesem Jahr ausnahmsweise zwei zusätzliche verkaufsoffene Sonntage“, sagt der Sprecher der Stadt Kirchheim, Robert Berndt. Im Mai hatte der Kirchheimer Gemeinderat eine Änderung der Satzung beschlossen, um die rechtliche Grundlage zu schaffen. Der erste außerplanmäßige verkaufsoffene Sonntag war am 18. Juli. Es folgt ein weiterer Öffnungstag am 3. Oktober, der im Rahmen der Goldenen Oktobertage stattfindet, sowie der reguläre verkaufsoffene Sonntag im November, der an den Gallusmarkt gekoppelt ist. Die Ausweitung sei im Fachforum Lokale Wirtschaft mit allen Beteiligten abgesprochen worden. Den Vorstoß des Handelsverbands HDE hält Berndt für nicht praktikabel. „Es ist rein rechtlich schwierig, jeden Sonntag zu einem verkaufsoffenen Sonntag zu machen“, sagt er. Diese müssten an Veranstaltungen gebunden sein.

Die Kirchen stehen den verkaufsoffenen Sonntagen seit jeher kritisch gegenüber. „Der Sonntag ist besonders schützenswert. Es ist ein Tag der Ruhe und der Begegnung mit Gott“, sagt Pfarrer Daniel Trostel aus Dettingen, der strikt dagegen ist, noch mehr Sonntage zu opfern. „Wir brauchen eine Unterbrechung des Alltags, eine Pause vom Shoppen, von der Arbeit, vom Alltag. Wenn der Sonntag genau gleich ist wie jeder andere Tag, dann ist dieser Effekt weg“, sagt Trostel. Nicht zuletzt bräuchten  Verkäuferinnen und Verkäufer eine Ruhepause. 

Auch für Benjamin Stein von der Gewerkschaft Verdi kommt eine pandemiebedingte Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage im großen Stil, wie vom HDE gefordert, nicht infrage. „Der Sonntag rettet den Einzelhandel nicht“, sagt Stein, sondern sei im schlimmsten Fall ein weiterer Treiber der Pandemie. Ein solcher Öffnungstermin sei für die Kunden nur ein oder zweimal im Jahr attraktiv, nicht öfter. Wenn der verkaufsoffene Sonntag zur Gewohnheit werde, würde dafür wochentags weniger eingekauft. „Den Euro kann man schließlich nur einmal ausgeben“, sagt er. Für die Beschäftigten argumentiert Benjamin Stein ganz ähnlich. „Ein oder zweimal im Jahr machen die Verkäuferinnen das gerne, aber wenn es zur Regel wird, ist die Belastung für die Frauen und die Familien zu groß.“ Das Argument, dass die Beschäftigten die höher vergüteten Stunden bräuchten, um ihr Konto aufzufüllen, weist Stein zurück. „Wenn der Handel vernünftige Gehälter bezahlen würde und die Frauen nicht mit Teilzeitverträgen abspeisen würde, bräuchten sie den Sonntag nicht“, sagt der Gewerkschafter.