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Treckerkolonne legt Dettingen zeitweise lahm

Hungerberg Bauern aus der ganzen Umgebung zeigen sich mit ihren Dettinger Kollegen solidarisch und demonstrieren für den Erhalt von Ackerflächen. Von Iris Häfner

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Damit hat niemand gerechnet: Traktoren, so weit das Auge reicht. Über 60 Fahrzeuge unterschiedlicher Bauart legten gestern den Verkehr in Dettingen lahm. In der Schlange reihte sich Trecker an Trecker von der Ampel an der Schlossberghalle den Berg hoch bis zu den ersten Häusern auf dem Guckenrain.

Um 16 Uhr war der PS-starke Tross am Dreschschuppen neben der B 465 gestartet. Die Demonstrationsfahrt der Landwirte für den Erhalt des Hungerbergs in seiner jetzigen Form führte über den Guckenrain in den alten Ortskern. Auf der Kirchheimer Straße ging so lange nichts mehr, bis auch der letzte Traktor auf dem Rathausplatz und angrenzenden Straßen angekommen war. Aus der ganzen Umgebung nahmen Landwirte teil und demonstrierten so ihre Solidarität mit ihren Dettinger Kollegen. „Hunger?! kann nur die Landwirtschaft bekämpfen“, stand auf einem Transparent an einem Schlepper, „Regionale Produkte brauchen regionale Fläche“ auf einem anderen - und symbolkräftig: „Wir leben noch! Die Dettinger Landwirte. Damit das so bleibt: Ja zum Erhalt des Hungerbergs“.

Total überwältigt von der Teilnehmerzahl war Michael Hahn, Sprecher der Bürgerinitiative Hungerberg. Er wurde mit großem Applaus begrüßt, als er ans Mikrofon trat. Viele Dettinger Bürger waren zu Fuß und mit dem Rad in die Ortsmitte gekommen, um bei der Kundgebung dabei zu sein. Zahlreiche junge Familien waren darunter, aber auch Großeltern mit ihren Enkeln. „Da sind Bauern dabei, die kenne ich gar nicht - die kommen ja von allen Seiten“, zeigte sich nicht nur eine Besucherin überrascht von der großen Trecker-Zahl.

„So viele Landwirte unterstützen die Dettinger Bauern und wollen den Hungerberg schützen. Sie alle haben Prioritäten gesetzt und sind bei dem schönen Wetter hierhergefahren“, freute sich Michael Hahn. „Den Bauern die Äcker wegzunehmen, geht nicht. Das wäre, als wenn man Daimler das produktivste Werk schließt und es ins Trabiwerk nach Zwickau umsiedelt“, verglich er. Auf dem Hungerberg würden die besten Äcker auf Dettinger Markung liegen. „Es ist die Kornkammer der Gemeinde“, sagte er.

Diesen Ball nahm Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbands, auf. Er hatte ein fünf Kilogramm schweres Mehlsäckchen dabei. „Dafür benötigt man etwa acht Kilo Weizen. Bei 20 Hektar, die auf dem Hungerberg als Industriefläche versiegelt werden sollen, sind es 20 000 solcher Säcke. Damit lassen sich 100 000 Laib Brot herstellen - das reicht für die Einwohner Kirchheims keine drei Wochen“, rechnete er vor. Landwirtschaft sei heute genauso ein knallhartes wirtschaftliches Unternehmen wie jeder andere Wirtschaftszweig. „Nur werden leider sehr unterschiedliche Maßstäbe bei der Berücksichtigung dieser Kriterien angelegt. Daran arbeiten wir, dies zu ändern und bewusst zu machen“, sagte Siegfried Nägele. Speziell in der Region um die Teck könne man sich keine Versiegelung von weiteren Flächen mehr erlauben. Ihm ist bewusst, dass Deutschland kein Agrarstaat wird. „Doch Lebensmittel werden immer knapper. Die Weltbank hat dies zum gravierendsten Problem der nahen Zukunft erklärt - alle paar Sekunden verhungert ein Mensch auf der Welt“, so Nägele. In der Landwirtschaft sei nicht dasjenige der Maßstab, das man verbraucht, sondern das, was man erhalten und weitergegeben habe.

Am Ende der Kundgebung ergriff Michael Hahn nochmals das Wort: „Der BDS wirft uns Einzelinteressen vor, doch wir haben in kurzer Zeit 860 Unterschriften gesammelt. Einzelinteresse haben andere.“ Applaus gab es für seinen Aufruf: „Ja - zur Natur, zur Landwirtschaft, für Lebensqualität, für die Zukunft unserer Kinder - und für den unbebauten Hungerberg.“

Geballter Unmut: Kein Durchkommen gab es auf dem Rathausplatz in Dettingen. Fotos: Markus Brändli
Geballter Unmut: Kein Durchkommen gab es auf dem Rathausplatz in Dettingen. Fotos: Markus Brändli