Der Charme des Wasserturms erschließt sich auf den zweiten Blick. Auf den ersten Blick ist er so einladend wie Industriegebäude das eben sind. Grau, unförmig. Fenster so klein wie Schießscharten. Im Inneren hängt ein muffiger Geruch. Eine Wendeltreppe führt hinauf, mitten durch den Wasserbehälter des Turms. Der steile Aufstieg endet vor einer schweren Metalltür. Sie lässt sich beinahe nicht öffnen, der Wind drückt von außen dagegen.
Tritt man hinaus auf die Plattform des Turms, ist auf einmal alles vergessen. Dieser Blick! Unvorstellbar. Und vor allem: Unverstellbar. Hier morgens zu sitzen mit einer Tasse Kaffee, bei Sonnenaufgang, der Albtrauf am Horizont, das hätte was.
Wer genügend Geld und Fantasie hat, kann sich diesen Traum schon bald erfüllen. Denn die Gemeinde Ohmden braucht ihren Wasserturm nicht mehr. Ein moderner Hochbehälter hat ihn vom Thron gestoßen, bald vier Jahre ist das schon her. Seither steht der Turm im Wohngebiet herum wie bestellt und nicht abgeholt.
Damit soll nun Schluss sein, findet Ohmdens Bürgermeisterin Barbara Born. Sie will, dass wieder Leben in den Wasserturm einzieht. Gesucht wird ein Käufer mit schlüssigem Konzept, der das einstige Industriegebäude in einen Wohnturm verwandeln möchte. Auch ein Büro ist denkbar. Was für Barbara Born nicht infrage kommt, ist ein Café oder Restaurant. „Dafür ist die Fläche viel zu klein“, sagt Barbara Born. Auch Sicherheits- und Brandschutzauflagen ließen das nicht zu.
Der Wasserturm ist 1960 erbaut worden. Er ist 21 Meter hoch. Die ersten 14 Meter sind Treppenhaus, dann gelangt man in den Bereich des Wasserbehälters. Dort beträgt der Durchmesser acht Meter. Wer hier einziehen will, muss also Minimalist sein. Denn auf den ersten Blick sind nur zwei Stockwerke möglich: Eins auf Höhe des Wasserbehälters. Und ein zweites auf Höhe der Plattform, die eine Außenhülle erhalten müsste, vermutlich aus Glas. Allerdings ist der Turm unterkellert. Der Raum, in dem die Technik darauf wartet, abgebaut zu werden (siehe Foto), ragt neben dem Turm ein wenig aus dem Boden heraus. „Ich könnte mir vorstellen, dass man dort ein eingeschossiges Gebäude als zusätzliches Wohngebäude bauen könnte“, sagt Barbara Born.
Was tatsächlich möglich ist, das prüfen zurzeit einige Architekturbüros, die Barbara Born angeschrieben hat. Interessenten, die den Turm kaufen wollen, gibt es auch schon. Die Immobilie übers Internet zu vermarkten, hätte aus Borns Sicht keinen Sinn. „Ich habe gar keine Zeit, Leute hier herumzuführen, die den Turm nur mal aus Neugierde besichtigen wollen“, sagt sie. Außerdem brauche man bei dieser besonderen Immobilie einen gewissen Sachverstand.
Ein Problem gibt es nämlich: Um aus dem Turm einen Wohnturm zu machen, müsste man unter anderem die Fenster deutlich vergrößern - ein großer Eingriff in die Statik des Turms. Allerdings sind die Pläne schon vor Barbara Borns Amtsantritt verloren gegangen. Sie hat deshalb einen Statiker aufgetrieben, der sich mit Wassertürmen auskennt und den Architekten beraten kann, der den Turm am Ende ausbaut.
Laut Bodenrichtwert kostet das 336 Quadratmeter große Grundstück 70 560 Euro. Zum Wert der Immobilie kann Barbara Born noch nichts sagen. Auch die Höhe der Umbaukosten ist völlig unklar. Fest steht allerdings schon jetzt: Günstig wird es nicht werden. Dafür sorgt schon allein der Aufzug, der benötigt wird, um bequem in die höheren Gefilde des Turms zu gelangen.
Barbara Born ist dennoch optimistisch, dass sich ein Käufer findet. Den Turm abzureißen und das Grundstück zu verkaufen, ist für sie nur eine Notlösung. „Der Abbruch würde die Gemeinde mindestens 60 000 Euro kosten“, sagt sie - also in etwa so viel, wie der Verkauf des Grundstücks einbringen würde. Der Erhalt des Turms liegt Barbara Born aber noch aus einem anderen Grund am Herzen. „Die Ohmdener sind stolz auf ihren Wasserturm und möchten gerne, dass er bleibt“, sagt sie.