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Vater überlebt die Schläge der Tochter nicht

Gericht Im Prozess geht es darum, ob eine Kirchheimerin mit Absicht getötet hat oder ob es eher ein Unfall war.

Kirchheim. Hat die 51-jährige Tochter den Tod des über 80-jährigen Vaters gewollt oder dessen Tod billigend in Kauf genommen? Mit der Frage beschäftigt sich die Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts. Die 51-jährige Frau soll in der mit dem Vater gemeinsam bewohnten Kirchheimer Wohnung den betagten Mann mit einer Flasche niedergeschlagen haben, mit der Folge, dass das Opfer Stunden später starb.

Die Anklage der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen die 51-jährige ehemalige Metzgerei-Fachverkäuferin lautet auf ein Verbrechen der Körperverletzung mit Todesfolge, also kein Mord oder versuchter Totschlag.

Geschehen ist das vor genau zwei Jahren, am späten Abend des 9. August 2019. Vater und Tochter hatten Streit, bei dem es um die Alkoholsucht der Tochter ging. Die nämlich hatte, wie sie einräumt, täglich bis zu fünf Flaschen Bier und bis zu zehn Schnäpse getrunken und habe sich auch täglich auf dem Kirchheimer Markplatz mit Freunden „zum Saufen“ getroffen. Das habe den Vater gestört, obwohl er nach Aussage der Tochter ebenfalls dem Bierkonsum nicht abgeneigt gewesen sei. Er habe sich auch über den zu lauten Fernseher beschwert, wobei es dann zu immer mehr gegenseitigen Beschuldigungen gekommen sei. Schließlich habe die Tochter zu ihm gesagt: „Wenn du mich jetzt nicht in Ruhe lässt, passiert etwas!“ Diese Drohung gegen den nörgelnden Vater bestätigte sie im Stuttgarter Gerichtssaal. Danach soll die Frau, so die Anklage, gegen 1.30 Uhr dem Vater eine gefüllte 1,5 Liter PET-Flasche auf den Kopf, auf die Stirn und die linke Schulter geschlagen haben und habe damit den möglichen Tod des betagten Mannes in Kauf genommen.

Dabei habe der Mann zunächst eine schwere Verletzung im Scheitelbereich und Einblutungen im Augenbereich erlitten, die laut ärztlichen Feststellungen aber noch nicht lebensgefährlich waren. Erst Stunden später habe sich der verletzte Vater erbrochen, sei gestürzt, habe sich dabei den Kopf angeschlagen und sei dann auch an einem schweren Schädel-Hirn-Trauma verstorben, was ein Notarzt allerdings erst am nächsten Morgen gegen 11 Uhr festgestellt habe.

Schlägereien gab es häufig

Das Verhältnis zwischen Vater und Tochter sei bereits seit der Kindheit schlecht gewesen, sagt die Angeklagte jetzt vor der Stuttgarter Schwurgerichtskammer. Es habe in der Kirchheimer Familie öfters Schläge gegeben, später als sie älter wurde, habe man sich auch gegenseitig geschlagen. Mehrfach seien der Vater, aber auch die Tochter aufgrund der Verletzungen mit dem Krankenwagen in die Klinik gebracht worden. Die Angeklagte sagt jetzt: „Natürlich habe ich zurückgeschlagen!“ Aus den Krankenakten zitierte der Vorsitzende Richter die Schlagwerkzeuge: „Sektflasche, Obstschale, Gehstock“. Der Vater sei einfach sehr bestimmend und aggressiv gewesen, so die Tochter in ihrer Aussage. Was den eigentlichen Tatablauf betrifft, beteuert die Tochter: „Umgebracht habe ich ihn aber nicht“. Ob sie denn selbst aggressiv sei, fragte sie der Richter, was die Angeklagte aber strikt verneinte.

Mit Hilfe zweier Sachverständiger versuchen die Richter im Laufe des auf mehrere Tage terminierten Prozesses die zur Tatzeit vorhandenen Alkoholmengen bei der Angeklagten und beim Opfer festzustellen. Dass sie an diesem Abend zuvor reichlich tief ins Glas geschaut habe, bestreitet die 51-Jährige nicht. Sie habe damit auch ein Problem, habe mehrfach schon Entzugs-Therapien gemacht. Seit 2016 sei sie in Frührente und habe einen Betreuer zugeteilt bekommen. Seit sie sich von ihrem Freund getrennt habe, lebte sie mit dem Vater in der Kirchheimer Eigentumswohnung zusammen.

Der Prozess wird mit Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Ein Urteil soll am 16. August gesprochen werden. Bernd Winckler