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Verantwortung für jetzt

Zur Berichterstattung über „Fridays for Future“

Seit August 2018 sitzt Greta Thunberg jeden Freitag vor dem Parlament in Stockholm und demonstriert für den Klimaschutz. „Ihr (Erwachsenen) sagt, dass Ihr Eure Kinder über alles liebt. Und trotzdem stehlt Ihr ihnen ihre Zukunft, direkt vor ihren Augen.“ Dieser kleine Ausschnitt ihrer Rede bei der Klimakonferenz in Katovice, kurz vor Weihnachten, hat mich betroffen gemacht. Im Alter von Greta habe ich meine Eltern mit meinen Fragen nach ihrer Verantwortung für die Verbrechen im Nazi-Deutschland konfrontiert. Jetzt, kurz vor meiner Rente, nach 40 Jahren Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, werde ich selbst von der jungen Generation hinterfragt. Zur Diskussion steht nicht weniger als der Erhalt der lebenswerten Zukunft für alle.

Greta, und mittlerweile Zehntausende Schülerinnen und Schüler in vielen Ländern setzen sich für den konsequenten Klimaschutz ein. Für mich kommen zwei weitere Themen dazu: Der Schutz des Friedens und der Schutz vor Ungerechtigkeiten (Hunger, ungezügelter Reichtum, Bildungsmonopol . . .). Dank Greta und ihren Mitengagierten wissen wir, dass wir etwas tun können. Frank Walter Steinmeier sagte vor ein paar Tagen: „Ich freue mich jedenfalls, dass Ihr Euch einsetzt und dass Ihr anders seid als diejenigen, die immer sagen, ‚man kann ja sowieso nichts tun‘ - man kann etwas tun“. Auch Angela Merkel sagt: „Ich unterstütze sehr, dass Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen.“ In der Zeit, in der ich diese Zeilen formuliert habe, hat tausendmal die Zukunft begonnen. Wir brauchen saubere Luft jetzt, nicht in ferner Zukunft. Wir brauchen Gewaltfreiheit im Nahen Osten heute und nicht irgendwann einmal. Wir müssen den Reichtum teilen, so schnell als möglich und nicht, wenn es zu spät ist. Ich sei ein Träumer, sagt man mir. Ich frage zurück: Ist das unrealistischer, als zu resignieren, zynisch zu werden oder sinnlos shoppen zu gehen? Und vielleicht trifft man sich ja bald in Kirchheim, um die richtigen Fragen zu stellen, um uns zu „ver-antworten“.

Martin Lempp, Kirchheim