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Verzweifeltes Warten auf den Impfstoff

Corona Weil es an Impfstoff gegen das Covid-19-Virus fehlt, stehen die Kliniken im Landkreis mit leeren Händen da, und das auf unbestimmte Zeit. Das Personal ist enttäuscht und verärgert. Von Thomas Schorradt

Das Städtische Klinikum Esslingen erhält, wie alle anderen Krankenhäuser im Land auch, „bis auf Weiteres“ keinen Impfstoff für die Belegschaft mehr. Das steht in einem Schreiben, das der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha an die Einrichtungen verschickt hat. Die Reaktion an der Corona-Front im Landkreis Esslingen schwankt zwischen Empörung und Unverständnis.

 

„Das hat das Vertrauen in die Arbeit der Landesregierung erheblich beschädigt.
Esslinges OB Jürgen Zieger zum Impfstoffmangel

So macht sich der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums Esslingen in einem offenen Brief an Lucha zum Sprachrohr der Ärzte und des Pflegepersonals. Die Belegschaft sei seit Monaten der ständigen Angst ausgesetzt, sich selbst oder andere anzustecken. Eine rasche Impfung sei der einzige Ausweg aus dieser Bedrängnis gewesen, so Zieger. Die Impfstrategie des Landes geißelt der Esslinger Rathauschef mit scharfen Worten als völlig unzureichend.

Der Esslinger Landrat Heinz Eininger springt ihm zur Seite. „Das jüngste Ausbruchsgeschehen in der Medius-Klinik Nürtingen zeigt, wie wichtig eine zügige Impfung des medizinischen Personals ist. Dabei geht es nicht nur um den Schutz der Mitarbeiter und der Aufrechterhaltung des Klinikbetriebs, sondern vor allem um die Versorgung der Covid-Patienten“, sagt er. Eininger unterstützt die Forderungen Ziegers, die Impfstoffversorgung medizinischer Mitarbeiter der Kliniken baldmöglichst zu verbessern und die Impfstrategie daraufhin auszurichten.

Greifbare Furcht

In den drei Häusern der Medius-Gruppe in Nürtingen, Kirchheim und Ostfildern werden derzeit 64 Covid-19-Patienten behandelt – neun davon auf der Intensivstation. „Bei dieser anhaltenden Belastung ist es unserem Personal nur schwer zu vermitteln, dass es keine Impfungen im Krankenhaus selbst geben soll“, sagt Iris Weichsel, Kliniksprecherin in Nürtingen. Auch in Nürtingen warte man händeringend auf einen Impfstoff. Den Worten des Esslinger Oberbürgermeisters könne sie deshalb nur voll und ganz zustimmen.

„Die Mitarbeiter des Klinikums sind in hohem Maße enttäuscht und frustriert, etliche sogar erzürnt“, hatte dieser festgestellt. Das klinische Personal, das täglich mit Covid-19-Patienten arbeite, habe große Hoffnung in den angekündigten Impfbeginn gelegt. „Die weitgehende Absage hat das Vertrauen in die Arbeit der Landesregierung erheblich beschädigt, wenn nicht gar zerstört“, stellt Zieger fest. Inzwischen sei es nicht mehr die Anzahl der von Corona-Kranken, die die Krankenhäuser an den Rand der Belastbarkeit bringen würden, sondern die Krankheitsausfälle beim Personal.

„Wir hatten einen fertigen Impfplan. Jetzt stehen wir mit leeren Händen da und wissen nicht einmal, wie lange noch“, klagt Anja Dietze, Sprecherin des Klinikums. Die Impftermine, die das Krankenhaus auf eigene Faust an den Impfzentren des Landkreises organisiert habe, seien ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir bekommen in den kommenden beiden Wochen insgesamt 93 Impfdosen, haben aber in höchster Priorität 401 Mitarbeiter, die in der Pflege und medizinischen Betreuung direkt am Covid-19-Patienten arbeiten“, sagt sie. Aktuell seien 15 Beschäftigte wegen einer Corona-Infektion oder Quarantäne-Maßnahmen nicht im Dienst. Zum Höhepunkt der zweiten Welle Ende November seien es 60 gewesen.

Auf eine mögliche Infektionswelle mit neuartigen Mutationen des Virus sieht Anja Dietze das Klinikum gut vorbereitet. „Wir haben unsere Hygienemaßnahmen schon vor einiger Zeit verschärft“, sagt sie.